«Sonnenhalde»-Chefarzt Samuel Pfeifer über die Sucht nach Internetpornografie

 
Sucht nach Internetpornografie
Sucht nach Internetpornografie
Das Internet überflutet uns mit pornografischen Bildern. Viele Männer landen in der Sucht. Selbst Pastoren und Missionare sind betroffen. Wir müssten lernen, mit den dunklen Seiten des Internets umzugehen, meint Chefarzt Samuel Pfeifer aus Riehen.

Andrea Vonlanthen: Während er noch predigt, missbraucht ein Pastor sein eigenes Göttikind. Was empfinden Sie da?
Samuel Pfeifer: Grosse Betroffenheit. Ein Mann in einem geistlichen Amt ist so von der Bildersucht befallen, dass er eine halbe Million pornografischer Bilder speichert. Unglaublich! Was hat der Mann wohl mitgemacht in seinem Doppelleben? Die Tatsache, dass es nicht beim Anschauen der Bilder geblieben ist, läuft der gängigen Meinung zuwider.

Eine Fehlbeurteilung?
Eindeutig! Die Erfahrung zeigt, dass sich die Pornokonsumenten mit der Zeit sagen: Jetzt will ich es auch erleben. Eine zusätzliche Ebene des Internet-Sex ist der Cybersex. Man geht in die Chats und kommt schnell mit Leuten in Kontakt, die offen sind für reale sexuelle Begegnungen. Es gibt immer mehr sexuelle Handlungen, die dann auch gefilmt und ins Internet gestellt werden. Dadurch gibt es zunehmend Leute, die sich daran aufreizen.

Ist der geschilderte Fall ein Einzelfall eines pornosüchtigen Pastors?
Keinesfalls. In Amerika sagen 51 Prozent der befragten Pastoren, dass Internetpornografie für sie eine mögliche Versuchung sei. Für 37 Prozent bedeutet sie ein Problem, mit dem sie zu kämpfen haben.

Ein Problem auch für Missionare im Busch?
Zunehmend! Missionare erleben in den abgelegensten Gebieten der Welt grosse Entbehrungen. Internetanschluss aber haben sie heute alle. Davon geht eine grosse Versuchung aus. Ich war in einem weit entfernten asiatischen Land in einem Bergtal zu Besuch. Auf dem PC sah ich pornografische Bilder.

Reife Gottesmänner müssten doch gegen Versuchungen dieser Art doch besser gewappnet sein?
Ja, müssten sie. Zwei Drittel der amerikanischen Pastoren haben ja auch kein akutes Problem. Doch die Sexualität gehört nun mal zum Leben. Gott hat sie auch als gut geschaffen. Doch es gibt die dunkle Seite der Sexualität. Für nicht wenige Männer ist Sex am Bildschirm eine Form von Entspannung. Oft realisieren sie nicht, dass sie in eine Sucht geraten können, wenn sie das regelmässig tun. Sexuelle Bilder können auch Jahre später noch Erinnerungen und ein Verlangen auslösen. Je mehr wir solche Bilder im Kopf haben, umso mehr rutscht die Hemmschwelle nach unten.

Gilt das auch für Frauen?
Ja, in unserer sexualisierten Kultur sind nicht nur Männer betroffen. Bei den Frauen gibt es aber schon eine andere Gewichtung.

Wird das Internet immer mehr zum Fluch?
Ich muss gestehen, dass ich nicht weiss, wie ich meine Arbeit heute ohne Internet bewältigen könnte. Gerade der weltweite fachliche Austausch ist eine ungeahnte Bereicherung für mich. Doch die dunklen Seiten sind gross. Mit gleichem Recht müssten wir aber auch die Buchdruckerkunst verdammen, die uns neben der Bibel auch pornografische Schriften beschert hat. Wir müssen einfach besser lernen, mit den dunklen Seiten umzugehen.

Ist das Internet das ideale Medium für pornografische Angebote?
Bestimmt. Es ist sehr leicht zugänglich, kostengünstig und letztlich überall und diskret zu konsumieren.

Wie verbreitet ist die Pornografie heute im Internet?
Im Jahr 2003 gab es bereits 260 Millionen pornografische Sites. In Amerika geht man bei Onlinepornos von einem Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar aus – doppelt so viel, wie mit dem Herunterladen von Musik umgesetzt wird. Ausgerechnet das fromme Amerika ist heute der grösste Produzent von pornografischen Bildern, weil der Liberalismus keine Grenzen setzen kann.

Geachtete Pastoren, Lehrer und Politiker geraten in die Pornosucht. Wer versagt?
Man kann jetzt auf die Betreiber der Internetportale zeigen oder nach politischen Lösungen rufen, doch letztlich versagt das Individuum, das Pornos konsumiert. Schon im Alten Testament werden wir immer wieder gemahnt, wir müssten aufpassen, was wir mit den Augen aufnehmen. Dieser Verantwortung darf sich niemand entziehen. Es ist ja ganz schwierig, die Grenze zwischen legaler und illegaler Pornografie zu ziehen. Und gerade illegale Angebote kommen oft aus Ländern, auf die wir keinen Zugriff haben. Auch durch die schiere Menge ist Internetpornografie gar nicht mehr voll kontrollierbar.

 
Chefarzt Samuel Pfeifer
Chefarzt Samuel Pfeifer

Wer kann diesem schwachen Individuum am besten helfen?
Einerseits muss der Arbeitgeber durch klare Richtlinien festhalten, was in der Firma toleriert wird und was nicht – auch die Missionsgesellschaft oder die christliche Gemeinde muss das tun. Auf der andern Seite muss das Individuum selber nach seinen Massstäben fragen und sich überlegen, wie es sich am besten schützen kann. Christliche Männer und Frauen müssen sich in dieser sexualisierten Gesellschaft nach ihrer persönlichen Integrität fragen. «Seid rein, das erwarte ich von euch als den Heiligen», sagt Paulus. Das ist nicht einfach in einer Zeit, in der das Bedürfnis nach Lust und Spass über allem steht!

Gibt es denn einen verantwortbar lustvollen Umgang mit Pornografie?
Im säkularen Bereich gibt es einen «angepassten Freizeitgebrauch». Für einen Christen ist es problematischer, Pornografie ins Leben zu integrieren. Viele Bilder hängen nach und prägen unsere Vorstellungen. Wer solche Bilder konsumiert, begeht keine unvergebbare Sünde. Doch die Suchtgefahr ist gross. Darum schliessen sich Internetpornografie und christliche Grundprinzipien eigentlich aus.

Manchmal wollen sich die Leute «nur einmal informieren», was auf dem Bildschirm alles zu sehen ist…
Die dümmste Ausrede, wenn man erwischt wird! Mein Vater gab mir das Wort mit: «Muss ich ein Fass aussaufen, um zu wissen, obs Wein oder Essig ist?» Auch «Forschungsreisen» ins Internet enden oft in der Sucht.

Wir sollten «rein bleiben», empfehlen Sie mit Paulus. Wie schaffen wir das?
Zuerst muss ich mir meine wichtigsten Werte in Erinnerung rufen. Was ist gut für mein Leben? Dann kann ich auch eine gewisse Surfdisziplin entwickeln. Und ich kann mir immer wieder diese Frage stellen: Dürften meine Frau und meine Kinder, dürften meine Vorgesetzten das sehen, was ich anschaue?

Wie kann die christliche Gemeinde helfen? Soll der Pastor das Thema vermehrt aufgreifen?
Soll er durchaus. Parallel dazu soll er aber seinen PC von Ältesten untersuchen lassen! Die Gemeinde soll immer wieder bewusst machen, was es heute heisst, als Christ zu leben. Das ist nicht einfach bei einem Thema, das so schambesetzt ist. An Mädchen mit tief sitzenden Jeans haben wir uns auf der andern Seite gewöhnt, obwohl es da auch Situationen gibt, die für männliche Augen nicht ganz einfach sind. Manchmal muss man als Christ auch wieder einmal «das Haus reinigen», das heisst bewusst alles entfernen, was mich belasten könnte.

Was raten Sie Eltern?
Immer mehr Kinder geraten bei ihren Schulaufgaben auf pornografische Seiten und bleiben dann hängen. Viele Eltern sind sich gar nicht bewusst, was ihre Zehnjährigen im Internet konsumieren. Eltern haben ihre Verantwortung in der Begleitung und Überwachung ihrer Kinder wahrzunehmen. Das Thema müsste aber auch die Jugendarbeit mehr beschäftigen.

Wie zum Beispiel?
Jungscharleiter könnten die Jugendlichen vermehrt über ihren Umgang mit dem Internet befragen und ihnen sagen, was nützt und was schadet.

Wer kann helfen, wenn ich mitten in der Pornosucht stecke?
Dann muss ich mir zuerst eingestehen: Ich bin süchtig! Ich muss transparent werden und die Sucht dem Ehepartner oder einem Seelsorger mitteilen. Ich muss die Frage einer Selbsthilfegruppe prüfen. Ich weiss, dass zum Beispiel die Organisation «Wüstenstrom» solche Gruppen aufbaut. Ich muss bereit sein, einen echten Schnitt zu machen.

Braucht die Gemeinde heute «Internet-Seelsorger»?
Sie braucht gut ausgebildete Seelsorger. Doch viele Seelsorger sind auf diesem Gebiet viel zu wenig informiert oder auch zu naiv. Andere wiederum haben Angst, sich auf diesen Bereich einzulassen. Die suchtartige Komponente von Internetpornografie ist sehr schwer zu durchbrechen. Umso mehr sind unsere Seelsorger herausgefordert.

Nie Angst, dass Sie selber süchtig werden könnten?
Mit 54 stehen die Chancen gut: Wenn ich bis jetzt nicht süchtig geworden bin, werde ich es wohl auch in Zukunft nicht! Ich bin genussfreudig und genussfähig. Ich trinke gerne einen Schluck Wein. Aber ich empfinde keinen Kick, wenn ich mehr als zwei Gläser getrunken habe. Ich falle ohne Wein nicht in ein Vakuum. Ähnlich geht es mir mit sexuell gefärbten Bildern. Ich reagiere im Prinzip wie ein normaler Mann darauf. Dass solche Bilder für mich nicht zum lebensprägenden Thema wurden, ist ein Stück weit meiner Disziplin zuzuschreiben. Doch es ist vor allem auch ein Geschenk Gottes.

Mehr zum Thema:
www.sexsucht.jesus.ch
www.porno-frei.ch

Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: idea Schweiz
Datum: 24.07.2006

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