ANGST – und wie man damit umgehen kann

An und für sich hat Angst als Schutzfunktion eine wichtige lebenserhaltende Aufgabe. Aber wenn sich die Angst verselbständigt, wenn sie unangemessen wird, zu häufig auftritt und lange anhält, wird sie zur Störung, die das Leben nicht mehr schützt, sondern beeinträchtigt.

Angststörungen sind heute weit verbreitet. Dennoch scheuen sich viele Betroffene, darüber zu reden. Dabei hat Angst nicht nur eine Schutzfunktion, sondern Angst enthält auch die Chance zur Veränderung. Nur wer sich mit seinen Ängsten auseinandersetzt, kann die Erfahrung machen, dass sich die eigene Einstellung derart verändern kann, dass das Leben wieder lebenswert wird.

Angst enthält auch die Chance zur Veränderung
Angst begleitet unser ganzes Leben in unterschiedlichen Formen. Auslöser sind entweder äussere Situationen, die wir als bedrohlich oder belastend erfahren, Ängste können aber auch körperliche Ursachen haben oder sie sind seelischen Ursprungs. Als Schutz unseres Lebens ist die Angst ein wichtiges Alarmsignal, das in unserem Organismus entsprechende Reaktionen auslöst, die ein schnelles Handeln möglich machen (erhöhter Puls, rascheres Denken, automatische Schutzreaktionen usw.)

Je nach Situation reagiert unser Organismus unterschiedlich auf Belastungssituationen: In ausgeglichener und gelassener Stimmung reagieren wir weniger schnell mit Angst, als wenn wir uns in psychischen Anspannungssituationen (Stress) befinden. Es reagieren auch nicht alle Menschen auf Angst auslösende Faktoren gleich. Angeborene Reaktionen des autonomen Nervensystems, die Anpassungsfähigkeit an neue Reize und eigene unterschiedliche Lernerfahrungen (meist schon in früher Kindheit) spielen dabei eine wichtige Rolle.

Wenn Angst zur Belastung wird
Ein Beispiel: Das kleine Kind, das sich einmal in den Ferien am Feuer im Herd die Finger schmerzhaft verbrannt hat, wird (nach der ersten Angst vor einer weiteren ähnlichen Erfahrung) normalerweise im Laufe seines weiteren Heranwachsens Verhaltensweisen entwickeln, die ihm einen angepassten Umgang mit Feuer ermöglichen, d.h. ohne sich die Finger zu verbrennen.

Würde dieses Kind stattdessen bei seiner Angst vor dem durch Feuer hervorgebrachten Schmerz verbleiben, so könnte sich daraus später beim erwachsenen Menschen eine Angstreaktion auf jegliches offene Feuer entwickeln. So reagiert er dann beim Anblick von Kerzenflammen mit Angst, er vermeidet Räume, in denen ein offenes Kaminfeuer brennt oder er gerät bei Fernsehbildern von Brandkatastrophen in Panik.

Wenn Ängste in dieser Weise unangemessen sind und wiederholt in starkem Masse auftreten, wenn sie über längere Zeit andauern und dazu führen, dass man gewisse Tätigkeiten oder Orte meidet und wenn sie so zur Belastung werden, die die Lebensqualität beeinträchtigen, spricht man von einer Angststörung.

 
Reinhard H. Egg
Es hilft, über Angstzustände offen zu reden: Reinhard H. Egg.

Angststörungen
Zu den Angststörungen zählt man beispielsweise:
Generalisierte Angststörungen. Hierzu gehören ständige Angstgefühle und Katastrophenerwartungen, aber auch zahlreiche körperliche Symptome wie Herzklopfen, Schwindelgefühle, Schweissausbrüche und Unsicherheitsgefühle. Häufig überschneiden sich die Symptome mit anderen Formen der Angst, Depressionen oder sonstigen Persönlichkeitsstörungen.

Panikstörungen. Sie bestehen in wiederholten Panikattacken. (Plötzliche und unvorhersehbare massive Angst, oft als Todesangst empfunden, Dauer zwischen fünf und dreissig Minuten, selten einige Stunden).

Platzangst. Darunter versteht man die unangemessene Angst vor engen Räumen sowie vor weiten Plätzen, von denen kein direkter Rückzug möglich ist (z.B. offene Plätze, Einkaufzentren, Säle, Fahrzeuge oder Aufzügen). Diese Angststörung tritt häufig auch mit Panikattacken auf.

Soziale Phobie. Sie umfasst unangemessen starke Ängste vor Situationen im Umgang mit anderen Menschen, wie z.B. sich in Gegenwart anderer zu äussern, zu essen oder in anderer Weise im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen.

Spezifische Phobien. Als solche werden unangemessene und starke Ängste und Angstreaktionen bezeichnet, die sich nur auf bestimmte Tiere, Objekte oder Situationen beziehen. Dazu zählen z.B. Höhenangst oder die Angst vor Injektionen, vor Blitz usw.

Über seine Ängste soll man reden
Wer von chronischen Ängsten geplagt wird, zieht sich häufig zurück. Viele Menschen wagen es nicht, über ihre Angst, der sie sich hilflos ausgeliefert fühlen, mit anderen zu reden. Tatsächlich ist es nicht einfach: Wie soll jemand, der sich das Umgetriebensein von Angst nicht vorstellen kann, verstehen, wie es in einem Menschen aussieht, dem die Angst gleichsam das ganze Lebensgefühl verdunkelt?

Mit diesen Gedanken ziehen sich viele von permanenter Angst geplagte Menschen von ihren Mitmenschen zurück. Damit kommt zur Angst auch noch die Einsamkeit, die oft ein idealer Nährboden für Angstvorstellungen aller Art ist.

Angst jeglicher Art und Stärke ist aber immer ein Hinweis darauf, dass etwas ausserhalb oder innerhalb des betreffenden Menschen nicht in Ordnung ist. Wo es nicht möglich ist, dies aus eigener Kraft zu verändern, ist es wichtig, dass Hilfe in Anspruch genommen wird.

Das kann in erster Linie dadurch geschehen, dass man das Gespräch mit Menschen sucht, zu denen man Vertrauen hat. Das können Angehörige und Freunde, das kann auch der Seelsorger oder Hausarzt sein. In vielen Fällen können diese Gespräche bereits helfen.

 
Sanduhr

Die Unsicherheit zur Sprache bringen
Wichtig ist bei diesen Gesprächen, dass man sich nicht verstellt, seine Schwäche und Unsicherheit zeigt, seine Gefühle herauslässt und offen über Ängste redet. Und für die Zuhörenden ist es wichtig, dass sie den Gesprächspartner mit seinen Ängsten ernst nehmen, dass sie ihm die Angst nicht einfach ausreden wollen, sondern mit dem Gesprächspartner Wege suchen, wie er seine Angst allmählich unter Kontrolle bringen kann.

Wenn es sich zeigt, dass diese Gespräche nicht weiterführen, empfiehlt es sich, eine entsprechend ausgebildete Fachperson (z.B. einen therapeutischen Seelsorger, Psychotherapeuten oder Psychiater) beizuziehen, die dann die Angststörung gezielt therapeutisch angehen kann.

Das Ziel: Vertrauen, Zuversicht und Gelassenheit entwickeln
Dass unser Leben vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt ist, können wir tagtäglich in der Zeitung nachlesen. Das Ziel, auf das hinzuarbeiten es sich lohnt, soll aber sein, in dieser bedrohten Welt Zuversicht und Gelassenheit zu entwickeln. Also nicht die Sicherheit, dass Schicksalsschläge zu vermeiden sind. Gelassenheit heisst, mit solchen Unsicherheiten zu rechnen und dennoch nicht zu resignieren. Gelassenheit ist auch eine Form der Tapferkeit. Eine solche Zuversicht schliesst auch die schlimmsten Entwicklungsmöglichkeiten nicht aus und vertraut dennoch auf beste Lösungen.

Woraus eine solche Zuversicht ihre Kraft schöpft, zeigt der Glaube des biblischen Volkes Israel beispielhaft: In den schweren und dunklen Phasen seiner bewegten Geschichte wurde es immer wieder von Propheten auf die Bewahrung durch Gott in der Vergangenheit hingewiesen. Aus diesem Zurückblicken schöpften die Menschen in Israel die Hoffnung, dass der Gott, der sie bisher bewahrt hatte, sie auch weiterhin tragen werde. Oder wie der deutsche Philosoph Ernst Bloch schrieb: „Die Hoffnung ersäuft die Angst“.

Webseite des Autors:
www.egg-praxis.ch

Dossier zum Thema:
www.angst.jesus.ch

Autor: Reinhard H. Egg, Dipl. Psychologe


Quelle: Jesus.ch
Datum: 23.11.2005

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