Partnerschaft ist lernbar – noch vor der Krise

 
Partnerschaft
Die öffentlichen kirchlichen Eheberatungsstellen im Kanton Zürich lancieren ein neues Projekt: "PaarImPuls". Es ist dies ein Zusammenschluss qualifizierter Paar- und Familientherapeutinnen und -therapeuten. Mit dieser neuen Plattform soll die "Idee der Paarprävention" gestärkt und sollen die entsprechenden Angebot vernetzt werden.

Moderne Partnerschaften sind kompliziert geworden und stehen gleichzeitig unter hohem Erwartungsdruck. Das Resultat sind die hohen Scheidungsquoten. Die reformierte und die römisch-katholische Kirche im Kanton Zürich wollen jetzt mit einer koordinierten Bildungs- und Beratungsoffensive Paaren helfen, ihre Beziehungen dauerhaft zu gestalten.

Der Entwicklung entgegenwirken
Allein im Jahr 2003 wurden in der Schweiz 40000 Ehen geschlossen und 16800 wieder geschieden. Zwischen 40 und 50 Prozent der neu verheirateten Paare trennen sich wieder. Die Zürcher Kirche wollen jetzt diesem Zerfallsprozess entgegenwirken.

„Alles wandelt sich ganz rasant“
An einer Medienorientierung nannte die Paar- und Familientherapeutin Regula Ochsner Ursachen dieser Entwicklung: Alles wandelt sich ganz rasant. Was heute noch gilt, ist morgen Schnee von gestern. Der einzelne Mensch ist immer mehr überfordert und isoliert sich zunehmend. Er sucht einen Ort der Geborgenheit und Zufriedenheit, eine Welt, die noch überschaubar ist. Er geht eine Beziehung ein und ändert sie rasch wieder, wenn sie nicht gelingen will. Glücklich wird er dabei nicht.

Zu spät in die Beratung
Leider kämen Paare aber meistens erst in die Beratung, wenn das Haus bereits in Flammen stehe, so Ochsner. Die Paarberatung könne dann nur noch Feuerwehr spielen. Deshalb müssten die Beratungsstellen vermehrt auf Prävention setzen. Ziel des „PaarImPuls“-Projekts sei, dass Paare, die ihre Partnerschaft auf Dauer anlegen wollen, sich kontinuierlich dafür weiterbilden können. Nach dem Prinzip „Learning on the Job“, wie sich Ochsner ausdrückte. Leider kämen Paare oft erst sieben Jahre nach dem „ersten grossen Crash“ in die Beratung.

Die Sozialarbeiterin und Sozialtherapeutin Brigitte Spörri Weilbach betonte, trotz hoher Scheidungsquote bleibe eine dauerhafte Beziehung ein hoher Wert und entspreche einem grossen Bedürfnis. Obwohl viele Paare mit ihrer Beziehung zufrieden seien, hätten 60 Prozent Kommunikationsprobleme, welche längerfristig ein Scheidungsrisiko darstellten. Sie tendierten dazu, die kleinen Brände unter den Teppich zu kehren. Damit riskierten sie einen allmählichen Zerfall ihrer Beziehung.

Partnerschaft ist lernbar
Paar-Impuls will ein übersichtliches Angebot schaffen, das auch die Wahl des zutreffenden Angebots für die jeweilige Problemlage ermöglicht. Die Paartherapeutin Anatinna Trionfini betonte, Paar-Impuls wolle Mythen abbauen und zeigen, dass Partnerschaft lernbar sei. Ein verbreiteter Mythos bestehe etwa in der Meinung, dass der Partner sowieso wisse, was ich eigentlich brauche. Hier gelte es, Wissen zu vermitteln. Paare müssten zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass sich Konflikte grundsätzlich nicht vermeiden liessen. Man könne aber lernen, bei solchen Auseinandersetzungen Grenzen einzuhalten und sich nicht unnötig zu verletzen. Auch sei es nicht möglich, Konflikte in der Wut-Phase zu klären. Dass Partnerschaft lernbar sei, müsse zum Allgemeingut werden.

Neu ist die Vernetzung der bestehenden Angebote, der sich in einem Flyer mit ganz unterschiedlichen Angeboten niedergeschlagen hat. Von Abendvorträgen bis zu mehrtägigen Seminaren. Interessierte mit knappen Finanzen können auch um Ermässigungen nachsuchen.

„Es geht nicht ohne Liebe“
Der reformierte Kirchenrat Marcel Riesen betonte, selbst gute Rahmenbedingungen könnten heute keine gute Partnerschaft garantieren. Es gehe nicht ohne Liebe, und Liebe komme letztlich von Gott. Das Liebesgebot sei aber vor allem in einer Partnerschaft zu leben. Dies sei auch ein Grund, weshalb sich die Kirchen auf diesem Gebiet engagierten. Dass viele Paare konfessionell gemischt seien, mache das ökumenische Engagement sinnvoll. Vor Ort werde die Beratungsarbeit auch von politischen Gemeinden und Kirchgemeinden unterstützt. Der Staat steuere jährlich 250.000 Franken bei. Damit werde vor allem die Koordinationsarbeit finanziert. Die Kirchen erfüllten einen Auftrag des Staates und nähmen umgekehrt eine gesellschaftliche Verantwortung wahr.

Die Leiterin der Koordinationsstelle, Anatinna Trionfini, hofft, dass der „PaarImPuls“-Flyer später in alle Haushaltungen verschickt werden kann. Ihre Vision sei auch, dass Paaren dereinst gleich bei der Trauung ein Gutschein für einen Partnerschaftskurs abgegeben werde.

Hinweis: Weitere Informationen erhalten sie über www.paarimpuls.ch oder atrionfini@bluewin.ch . Telefon 01 910 58 60.

Kommentar

Auch politische Entscheidungen nötig
Von Fritz Imhof

Die Randbedingungen für das Gelingen von Ehe und Familie haben sich massiv verschlechtert. Dies ist nicht nur auf die wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen, sondern auch auf vielfältige Defizite der Politik, welche viel zu schleppend auf die gesellschaftliche Entwicklung reagiert. Entscheidend ist aber vor allem auch die Veränderung der Rollenverständnisse. Früher selbstverständliche Aufgabenzuteilungen müssen heute in einer Beziehung immer wieder ausgehandelt werden. Dies verlangt hohe kommunikative Fähigkeiten, die aber längst nicht immer vorhanden sind.

Die Stärkung der Paarbeziehung ist durch die Verschlechterung der Rahmenbedingungen noch wichtiger geworden. Wo sich Probleme ringsum auftürmen, sollte wenigstens die Partnerschaft gut funktionieren. Hier setzen die Zürcher Kirchen an, und sie tun gut daran. Trotzdem darf darüber nicht vergessen werden, dass die Stärkung von Ehe und Familie durch politische Entscheidungen auch den Schub der Kirchen gut vertragen könnte.

Quelle: SFF/Kipa



Datum: 10.02.2005

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