Mut zur Aussprache

 
Paar
Wie Sie Konflikte durch ein konfrontierendes Gespräch lösen.

„Ich muss mal mit dir reden …“ Wie ging es Ihnen, als zuletzt jemand mit diesen Worten auf Sie zukam? Freuten Sie sich auf das Gespräch? Oder hatten Sie sofort das Gefühl, etwas Unangenehmes stehe Ihnen bevor? Je nachdem, was Sie bisher erlebt haben, kann so ein Satz sehr viel auslösen. In dem aktuellen Buch der NEUES LEBEN-Edition „Grenzen setzen – Beziehungen bauen“ erklären die Therapeuten Dr. John Townsend und Dr. Henry Cloud, wie man schwierige Gespräche angehen und zu einem guten Ende führen kann.

Manchmal sind konfrontierende Gespräche unumgänglich. Nicht alle Probleme lassen sich nur mit freundlicher Geduld und schweigendem Ertragen lösen. Klärende, deutliche Gespräche brauchen aber eine kluge Vorbereitung, denn sonst wird schnell viel Porzellan zerschmissen. Auch wenn wir Menschen unangenehme Wahrheiten sagen müssen, können wir das in angemessenem Ton und mit einer liebevollen Haltung tun. Wir sollten mit einer gewissen Vorsicht auf den anderen Menschen zugehen.

Aber Angst ist völlig fehl am Platz, wenn Sie Ihrem Partner, Ihrer Freundin oder dem Nachbarn Ihren Wunsch nach einem klärenden Gespräch ankündigen. Denn der erste und wichtigste Schritt, ein Problem zwischen zwei Menschen aus der Welt zu schaffen, ist und bleibt das Gespräch: Man nennt das Problem beim Namen und sucht gemeinsam nach Lösungen. Schwierig wird es immer erst dann, wenn Sie dem Konfrontationsgespräch lange aus dem Weg gegangen sind. Denn unsere Ängste verhindern häufig, dass klärende Gespräche stattfinden. Vor allem zwischen Menschen, die sich sehr nahe stehen. So nehmen beispielsweise Eheleute eingefahrene Verhaltensweisen des Partners oft jahrelang hin. Wer sich aber die heilsamen Resultate eines von Liebe und Wahrheit durchdrungenen Gesprächs bewusst macht, wird seine Ängste leichter überwinden und den Mut zur Konfrontation aufbringen.

Es muss sich etwas ändern
Während einer unserer Radiosendungen beklagte sich einmal eine Frau namens Linda über ihren Mann. Er sah immer hinter den hübschen Frauen her, wenn sie gemeinsam unterwegs waren. Dabei verhielt er sich so auffallend, dass sie sich sehr schämte. Sie hatte ihn schon oft darauf angesprochen, aber er meinte, sein Verhalten sei ganz normal und konterte mit Vorwürfen: „Was du nur immer hast – so etwas mache ich doch nicht. Außerdem könntest du ja auch ein bisschen mehr auf deine Figur achten, dann müsstest du nicht immer auf andere Frauen eifersüchtig sein.“

Irgendwann hatte Linda aufgehört, mit ihrem Mann über das Thema zu reden. Es war zu traurig und zu deprimierend. Aber bevor sie uns anrief, war etwas Neues dazugekommen. Mitten in der Nacht war sie aufgewacht und hatte ihren Mann dabei erwischt, wie er sich am Computer pornografische Internetseiten ansah. Wir fragten sie, was sie dann gemacht habe. „Ich sagte ihm, er wäre pervers und ich könnte seine Nähe nicht mehr ertragen. Dann verkroch ich mich in meinem Bett und weinte die restliche Nacht. Seitdem bin ich völlig verzweifelt.“

Gibt es in Ihrem Leben auch jemanden, von dem Sie sich wünschten, er würde ein bestimmtes Verhalten aufgeben? In manchen Fällen geht es dabei sogar um mehr als darum, dass es „besser laufen“ könnte. Es geht um die Existenz von Beziehungen oder um das eigene Lebensglück. Die Bandbreite reicht von nervigen bis hin zu lebensbedrohlichen Handlungen: Unpünktlichkeit, Sucht, verbale oder körperliche Gewalt, Verantwortungslosigkeit, Herrschsucht, Ehebruch, Unordentlichkeit, gedankenloser Umgang mit Geld und anderes. Menschen verletzen sich gegenseitig auf jede nur erdenkliche Weise.

Den richtigen Zeitpunkt wählen
Linda erzählte uns, wie sie ihren Mann über die Jahre hinweg immer wieder auf vielerlei Arten anzusprechen versucht hatte. Anscheinend war er ein schwieriger Mensch.

Viele Gespräche scheitern aber bereits an ihrer schlechten Vorbereitung. Seien Sie sich daher im Klaren, wann die Zeit ist zu reden und wann es besser ist zu schweigen. Manche Menschen haben Mühe, den Schweregrad eines Problems realistisch einzuschätzen. Sie meinen, jedes Verhalten, das sie nicht mögen, korrigierend ansprechen zu müssen. Das ist natürlich falsch.

Es gibt Situationen, in denen muss man ein Konfrontationsgespräch führen, aber über etliches muss man auch einfach hinwegsehen. Bevor Sie also jemanden auf seine Schwächen ansprechen, sollten Sie sich fragen: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür? – Denn am wichtigsten ist Ihre Beziehung zu dem anderen. Wenn Sie das Gespräch zwar für sich entscheiden würden, dabei aber der Beziehung schaden könnten, dann warten Sie lieber noch ab. In den Sprüchen heißt es: „Ein vernünftiger Mensch kann seine Gefühle beherrschen; es ehrt ihn, wenn er über Fehler hinwegsehen kann“ (Kapitel 19, Vers 11). Vielleicht hat Ihnen jemand wehgetan, aber wenn es andere Dinge gibt, die es zuerst zu klären gilt, dann sehen Sie zunächst einmal darüber hinweg.

 
Schweigen
Schweigen allein, kann’s nicht sein.

Dosieren Sie Ihre Reaktion
Es gibt Menschen, die auf jeden Fehler ihrer Umwelt mit der vollen Kraft ihrer Empörung reagieren – oder sie reagieren überhaupt nicht. Ob ihr Partner sie zehn Minuten warten lässt oder ob er fremdgeht, das Maß ihres Zorns und Ärgers ist immer dasselbe. In Wirklichkeit müssen verschiedene Fehler und Verletzungen ganz unterschiedlich gewichtet werden. Sünde ist nicht gleich Sünde. Auch Jesus sagte, es gebe „wichtigere Dinge des Gesetztes: das Recht und die Barmherzigkeit und den Glauben“ (Matthäus 23,23). Mit anderen Worten, es gibt wichtige und weniger wichtige geistliche Gesetze, ebenso wie es unterschiedlich wichtige Verhaltensregeln für Beziehungen gibt. Entspricht Ihre Reaktion der Tragweite des Problems? Wer beim Essen schmatzt, muss anders bestraft werden als ein Lügner oder ein Dieb. Anders herum: Lügen und Stehlen dürfen nicht als Bagatellen abgetan werden.

Ich musste miterleben, wie eine Beziehung auseinander brach, weil die Frau nicht in der Lage war, auf die verschiedenen Mängel ihres Mannes verschieden zu reagieren. Egal, was er in ihren Augen falsch gemacht hatte, sie wurde maximal ärgerlich. Eines Tages hatte er keine Lust mehr, wegen jeder Kleinigkeit einen riesigen Streit zu führen. Wenn sie verstanden hätte, klar zu unterscheiden, hätten die beiden es schaffen können.

Positives sagen und deutlich werden
Je schwieriger das anstehende Gespräch voraussichtlich sein wird, desto wichtiger ist es, Ihre Motive und freundlichen Absichten zu betonen. Sie wollen etwas Gutes für den anderen oder sich selbst. Ihr Anliegen ist eine Verbesserung der Beziehung. Lassen Sie den anderen darüber nicht im Zweifel. Noch entscheidender als die korrekte Formulierung ist jedoch die richtige Einstellung. Wenn es Ihnen wirklich um das Wohl des anderen geht, dann wird er das auch spüren. Sie könnten beispielsweise sagen: „Johannes, ich liebe dich und mir liegt sehr viel an unserer Beziehung. Deshalb will ich mit dir reden. Ich möchte, dass wir uns wieder besser verstehen.“ Jetzt ist der Moment gekommen, das Problem beim Namen zu nennen. Werden Sie so konkret wie möglich, indem Sie „Ich-Botschaften“ und „Du-Botschaften“ benutzen. Sie geben Ihre Perspektive, die Position des anderen und das Problem wieder. Das sind drei verschiedene Aspekte, die jeweils in der richtigen Weise angesprochen werden müssen. Also zum Beispiel: „Wenn du A machst, fühle ich B. Das mag ich nicht und ich möchte, dass du damit aufhörst.“ Alle drei Punkte des „Du-Problem-Ich“-Dreiecks sind genannt. Hier ein konkretes Beispiel: „Tom, ich will mit dir über unsere sexuelle Beziehung reden. In letzter Zeit fühle ich mich nicht mehr wohl, wenn wir zusammen schlafen, weil die körperliche Nähe nicht zu unserer sonstigen Beziehung passt. Oft redest du den ganzen Abend kaum ein Wort mit mir, obwohl ich immer wieder versuche, ein Gespräch mit dir anzufangen. Ich leide den ganzen Abend unter der Distanz zwischen uns. Und dann willst du mit mir schlafen. Das passt für mich nicht zusammen.“

Nach Ihren deutlichen Worten ist jetzt der andere an der Reihe. Hören Sie sich an, was er denkt. Dabei ist die ganze Bandbreite von Betroffenheit und Einsicht bis hin zu Rechtfertigung, Zorn und Gegenangriff möglich. Es ist auch möglich, dass er sich wehrt oder Sie verbal attackiert. Dann kommt es darauf an, dass Sie sich nicht verwirren lassen. Denn leider enden nur allzu oft viele gutgemeinten Gespräche weit ab vom eigentlichen Thema. Um dies zu verhindern, prägen Sie sich die folgende Regel ein: Versuchen Sie die Gefühle nachzuempfinden und sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen, aber kehren Sie dann wieder zum Thema zurück. Lassen Sie sich nicht in einen Streit verwickeln. Bleiben Sie selbst beherrscht und lassen Sie sich nicht von Ihrem Thema abbringen. Sie haben dieses Gespräch initiiert – entscheiden Sie, in welche Richtung es läuft.

Veränderungen konkret machen
Oft verläuft ein Gespräch eigentlich ganz erfreulich, doch letztlich bleibt alles beim Alten. Es ist aber wichtig, das Problem auch tatsächlich aus der Welt zu schaffen. Überlegen Sie sich rechtzeitig, um welche konkrete Veränderung Sie bitten wollen. Natürlich ist es nicht leicht, einem anderen seine Fehler vor Augen zu führen. Manchmal kann so ein klärendes Gespräch zu tief greifenden Veränderungen führen. Es kann aber auch sehr enttäuschend enden. Denn es kann sein, dass der andere zurückschlägt, egal, wie gnädig und liebevoll Sie vorgegangen sind.

Möge Gott Ihnen positive Erfahrungen schenken. Doch selbst wenn das Gespräch nicht viel bewirkt haben sollte, haben Sie etwas Gutes und Sinnvolles getan, indem Sie den anderen gewarnt haben.

Autoren: Dr. Henry Cloud ist Psychologe, Dr. John Townsend ist Ehe-, Familien- und Kindertherapeut. Zusammen gründeten und leiteten die beiden zwei Kliniken, wo sie über viele Jahre Praxiserfahrungen sammelten. Gemeinsam haben sie bereits mehrere Bestseller geschrieben, darunter auch das neueste Buch der NEUES LEBEN-Edition „Grenzen setzen – Beziehungen bauen“.

Tipps:


Nach dem Gespräch
- Lassen Sie Ihr Gegenüber noch einmal mit eigenen Worten, Ihre Position und das Fazit des Gesprächs wiederholen.

- Im Idealfall einigen sich beide Gesprächspartner auf weiterführende Vorgehensweisen. Bitten Sie um Gottes Hilfe.

- Bei schwerwiegenden Vorfällen wie Sucht, Ehebruch oder körperlicher Gewalt, sollten Sie auf regelmäßiger seelsorgerlicher Hilfe von außen bestehen. Bei Rückfall sollten Konsequenzen folgen.

- Haben Sie Geduld – aber nicht immer. Gewalt oder Sucht sind zu gefährlich, um sie einfach nur „fromm“ zuzudecken. Bei harmlosen Problemen gilt jedoch: Hinfallen und Aufstehen gehören zum Leben dazu.

- Wenn Sie Hilfe brauchen, dann gehen Sie nicht alleine in die nächste Konfrontation. Ziehen Sie eine dritte Person hinzu, falls der andere sich von Ihnen nichts sagen lässt (Matthäus 18,15–18).

Buchtipp:


 
Tipp
Grenzen setzen – Beziehungen bauen.

H. Cloud u. J. Townsend. NEUES LEBEN-Edition, 240 Seiten, Gerth Medien, Asslar.

In Beziehungen kommt es oft zu Konflikten. Allerdings scheuen sich Menschen nur allzu oft vor einem klärenden Gespräch. Spannungen und Distanz sind die Folge. Wer aber lernt, den anderen in Liebe, direkt und in angemessener Weise auf Missstände hin anzusprechen, wird sich wahrscheinlich wundern, wie viel Veränderung möglich ist. In diesem aktuellen Buch der NEUES LEBEN-Edition zeigen die Autoren, wie man Konfrontationsgespräche so führen kann, dass alle davon profitieren und wie man es schaffen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen. Von der Gesprächsvorbereitung bis hin zur Gesprächsführung, geben die Experten wertvolle Ratschläge, wie man Probleme beim Namen nennen kann, wie eine Konfrontation positiv verlaufen und die Beziehung bereichern kann.

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Quelle: NEUES LEBEN. Das Christliche Ratgeber-Magazin
Datum: 15.07.2005

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