Sex und Würde
Betritt der Mensch die Welt, so sucht er danach, sein Wesen zu erkennen. Er geht den drei grundlegenden Fragen nach: Wer bin ich? Bin ich angenommen? Was kann ich? Zentrale Anstösse und erste Antworten bekommt er bei Mutter und Vater. Mit diesem inneren Wissen setzt er sich in der vorpubertären Phase mit gleichgeschlechtlichen und gleichaltrigen Freunden auseinander. Er hat ein grosses Verlangen in seinem sich entwickelnden Mannsein unter Männern bzw. als Frau unter Frauen an-‘erkannt’ zu sein, denn Mann-Sein entsteht unter Männern und Frau-Sein unter Frauen. In der Pubertät kommt die Erotik hinzu. Zunächst oft in Form von Selbstbefriedigung. Der Heranwachsende erkundet darüber seine Sexualität. Er erkennt seine Sexualität und was ihm dabei gefällt oder nicht gefällt. Es würde allerdings ein gewichtiger Teil des Reifeprozesses fehlen, wenn der Heranwachsende in dieser Weise dauerhaft bei sich bleiben würde. Bange Fragen Das sind bange Fragen. Unter der Oberfläche geht es um ganz tiefe, intime Fragen: Was passiert, wenn ich erkannt bin in meinen Gaben, in meinen Schwächen? Kann ich mich anderen zumuten? Werde ich auch dann geliebt, wenn meine uncoole, verletzte Seite sichtbar wird? Will mich eine Frau/ein Mann wirklich umfassend? Oder will sie/er nur das Äussere, die Sexualität? Bin ich ganz von Interesse, oder stehen nur mein Können, mein Geld, meine Begabungen und mein Heldsein im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit? Wertschätzung der ganzen Person Es bedeutet, den anderen in seiner ganzen Person wertzuschätzen. Diese Wertschätzung kann durchaus auch eingefordert werden. Einige Wochen vor unserer Hochzeit hätte ich mir Petting vorstellen können. Meine Braut bat zu warten. Selbstverständlich respektierte ich ihren Wunsch. Als wir einige Monate verheiratet waren, sagte sie mir, dass ich sie damit als Frau geachtet hatte. Sie wollte als Person, als Frau geachtet, begehrt und geliebt werden und nicht einfach um der Sexualität willen. Dies war ein guter Grundwert für unsere Ehe. Dass meine Frau so über sich denkt, und was sie bis heute für sich einfordert, beeindruckt mich. Würde im Dialog erfahrbar Am Kirchentag in Berlin kommt ein schüchterner Junge von ca. 14 Jahren zu mir. Er wirkt tief unglücklich. Es geht um Selbstbefriedigung. Er meint, der einzige Mensch auf dieser Welt zu sein, der sich selber befriedigt. Die Gefühle scheinen ihm zu sagen, dass er ein besonders schlimmer Sünder sei. Er zerbricht beinahe unter dem starken Gesetz. Ein 17-jähriger Junge schläft ab und zu mit seiner Freundin. Er ist in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen und hat noch wenig reflektiert, was die Sexualität betrifft. Zunächst sagt er, dass es ihn eigentlich wenig kümmert, was in der Bibel über Sexualität steht. Als ich ihn auf die Ängste anspreche, die man beim Sex haben kann, verändern sich die Aussagen um Nuancen. In Coolness und Selbstsicherheit hinein mischen sich nun leisere Töne und etwas Wissendes schwingt nun mit. Am Schluss des Gespräches will er wissen, was die Bibel über Sex aussagt. Schmerz nach Trennung Es geht um mehr, um dieses ‘Erkannt sein’. Schon nach kurzer Zeit bröckelt ihre Selbstsicherheit. Plötzlich stehen Fragen im Raum. Der Freund ist schwer sexsüchtig. Sie weiss nicht, ob die Beziehung Bestand haben kann. Sie erzählt, dass sie bereits mehrere solcher Beziehungen hinter sich hat und wie bei der Trennung immer auch ein Teil von ihr zerbrochen sei. Der Schmerz wird offensichtlich. Hinter Coolness verbarrikadiert Ich meine, dass Eltern, die ihre eigene sexuelle Vergangenheit nicht reflektiert haben, auch mit ihren Kindern nicht wirklich positiv über Sex reden können. Es bleibt entweder die Freigabe aller Werte oder das Gesetz. Dabei könnten Eltern durchaus auch über ihr Scheitern und Versagen reden und dabei authentisch zum Ausdruck bringen, nach was sie sich eigentlich gesehnt hatten. Sie haben die grössere Lebensperspektive und denken ganzheitlicher über die Zeit der sprudelnden Hormone hinaus. Im Schulunterricht werden höchstens biologische Zusammenhänge, die Verhütung und Gesundheitsrisiken angesprochen. Wir Christen sollten nicht ebenso einseitig mit einzelnen Bibelversen und Verboten argumentieren, sondern ganzheitlich über die Sehnsucht reden, ‘erkannt’ zu werden. Wer Jugendliche Werte vermittelt, gibt ihnen die Chance, Würde zu erfahren und führt sie in die Ebenbildlichkeit Gottes hinein. Zur Vertiefung Zum Autor Kontakt wuestenstrom Autor: Rolf Rietmann | ||||||||||||||||||||||||
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