„Ich muss immer geben“

"In unserer Ehe bin ich immer diejenige, die gibt. Von Anfang an schob mir mein Mann alle Aufgaben im Haushalt zu. Dann kamen unsere beiden Kinder. Und wieder blieb alles an mir hängen. Auch sämtliche Familienkontakte sind von mir zu organisieren. Ich muss froh sein, wenn mein Mann überhaupt zu einem Familienbesuch mitkommt."

"Natürlich ist er beruflich stark beansprucht. Doch seit mehreren Jahren bin ich auch für unsere ganz privaten Termine zuständig. So muss ich die Initiative ergreifen, wenn ich mit ihm ausgehen oder einfach mal kuscheln will. Was könnte ich anders machen?"

Sie halten Ihrem Mann den Rücken frei. Dabei haben Sie aber eine immer grössere Last auf Ihre Schultern genommen. Und selbst, wenn Sie es kräftemässig noch tragen können, macht es Ihnen zunehmend Mühe, in Ihrer Ehe und Familie immer zu geben und die Engagierte zu sein.

1. Balance zwischen Geben und Nehmen
Für jede Beziehung ist es wichtig, dass die Beteiligten von ihrem Erleben her in etwa gleich viel geben wie sie empfangen. In dem Augenblick, wo ein Partner - so wie in Ihrem Fall - das Gefühl hat, überwiegend nur zu geben, bekommt das Verhältnis eine Schieflage. Plötzlich wird aufgerechnet, was jeder jeweils in die Beziehung einbringt. "Ich arbeite täglich 13 Stunden für die Familie", sagt der Mann, "da darf ich doch erwarten, dass ..." Oder: "Ich putze, bügle, erziehe, koche, usw. täglich 16 Stunden und bekomme nicht mal einen Lohn dafür!" Solche Missverhältnisse zwischen Geben und Nehmen können auch in der inneren Organisation eines Verhältnisses liegen: "Immer bin ich es, die vorschlagen muss, wohin wir spazieren gehen, ob wir intim werden oder nicht. Dabei wünsche ich mir so sehr, dass auch einmal von meinem Mann die Initiative ausgeht."

2. Bedürfnisse wahrnehmen und formulieren
Es kann durchaus sein, dass Ihr Mann Ihre Lage noch gar nicht richtig kennt. Haben Sie ihm schon einmal ganz überraschend in dieser Sache einen Brief geschrieben, vielleicht sogar ins Büro? Wäre es möglich, einen Abend allein zu zweit zu organisieren und ihm das in den Terminkalender einzutragen? Wieder scheinen Sie die Aktive zu sein. Doch wenn es darum geht, dass Sie sich bei ihm Gehör verschaffen, um Ihre Bedürfnisse zu sagen, brauchen Sie einen Rahmen, in dem dies überhaupt erst möglich wird. Sollten auch diese Massnahmen nicht fruchten, wäre es gut, wenn Sie einen seelsorgerlichen Moderator von aussen mit einbeziehen. Spätestens jetzt wird Ihr Mann Stellung beziehen. Werben Sie um Ihr Anliegen, lassen Sie bei ihm nicht locker. Ihre Beziehung ist zu wichtig, als dass Sie bei der Enttäuschung stehen bleiben.

3. Realistische Absprachen treffen
Die vielen Aufgaben, die es beruflich und in einer Ehe und Familie zu erledigen gibt, müssen immer wieder neu beschrieben und deren Verteilung zwischen den Partnern ausgehandelt werden. Im Lauf der Zeit ändern sich viele Dinge: Die Aufgaben selber nehmen zu oder ab, sie bekommen ein anderes Gewicht. Kleine Kinder zu erziehen ist eine andere Sache als Teenies anzuleiten. Die Kräfte der Partner stehen nicht unbeschränkt zur Verfügung. Und die berufliche Entwicklung seitens des Mannes muss nicht immer planmässig verlaufen. Reden Sie darüber und treffen Sie realistische Absprachen. Nur so kann sich das Gefühl einstellen, dass jeder für die Ehe und Familie sein Bestes gibt.

Gesprächsanteile
Eine gute Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass es gelingt, zwischen Geben und Nehmen die Balance zu halten. Dies beginnt häufig bereits bei den Gesprächsanteilen in der ehelichen Kommunikation. Dauerhafte Verschiebungen, d.h., dass ein Partner deutlich mehr redet als der andere, kann zu ungünstigen Effekten führen. Einmal kann sich das negative Gefühl einstellen, für das Gelingen der Partnerschaft die ganze Verantwortung tragen zu müssen: immer reden, immer werben, immer der Aktive in der Beziehung sein. Auf der Seite des eher schweigsameren Teils gibt es ebenso Effekte: Er überlässt dem Aktiven zunehmend die Initiative und Verantwortung. Doch dies verstärkt erneut die Schieflage der Aktivitätsanteile in der Beziehung. Ein ungünstiger Kreislauf nimmt seinen Gang. Allerdings gibt es hier kaum objektive Masstäbe. Entscheidend ist vielmehr, wie beide die Verteilung aktiver und passiver Beziehungsanteile subjektiv in ihren Emotionen erleben. Wenn in bestimmten Beziehungs- und Aufgabenbereichen ein Partner hohe Anteile übernommen hat, dies für ihn selber und für den anderen "stimmig" ist, sollten dies Aussenstehende respektieren.

Autor: Wilfried Veeser
Quelle: NEUES LEBEN. Das Christliche Ratgeber-Magazin

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