Medizin für die „schwachen Nerven“

 
Medikament
Neben der allgemeinen „psychischen" Dimension einer Depression gibt es auch die ganz konkrete biochemische. Botenstoffe im Gehirn beschleunigen oder verlangsamen verschiedene Aktivitäten. Antidepressiva versuchen, den Ausgleich wiederherzustellen.

Antidepressiva bewirken, dass an den Synapsen mehr Überträgerstoffe zur Verfügung stehe. Dadurch stabilisiert sich der psychische Zustand des Patienten: seine Stimmung wird wieder heller, Ängste lösen sich, und das vegetative Nervensystem kommt zur Ruhe.

Allerdings kann es etwa 10 Tage dauern, bis die Wirkung eintritt. Leider zeigen sich zwischen verschiedenen Patienten grosse Unterschiede in Wirkung und Verträglichkeit. Antidepressiva sind kein Allheilmittel, aber sie können den Genesungsprozess doch entscheidend unterstützen.

 
Synapsen
Vorgänge in der Synapse: Die Botenstoffe werden in den synaptischen Spalt freigesetzt und erzeugen dort an den Rezeptoren ein Signal.
Bei Manie und schwerer Depression
In akuten Phasen der Manie gibt man heute Neuroleptika (Zyprexa, Seroquel), evtl. ergänzt durch andere Beruhigungsmittel. Die regelmässige Einnahme von Lithium, einem natürlichen Mineralsalz, hat sich bei schweren Depressionen und Manien sehr bewährt und beugt auch über längere Zeiträume Rückfällen vor. Allerdings ist zu Beginn eine regelmässige Blutspiegelkontrolle unbedingt anzuraten. Als wirkungsvoll haben sich in diesem Zusammenhang auch Carbamazepin (Tegretol) und Valproinsäure (Depakine) erwiesen.

Nebenwirkungen
Manche dieser Antidepressiva rufen ausgeprägte Nebenwirkungen hervor wie Mundtrockenheit, Schwitzen, verschwommenes Sehen, erhöhten Augeninnendruck (Glaukom!), Harnverhaltung, Reizleitungsstörungen am Herzen und verminderten Blutdruck. Die jeweiligen Beipackzettel eines Medikaments führen zudem eine Vielzahl anderer, seltenerer Nebenwirkungen auf. Neuere Mittel sind im grossen und ganzen harmloser, führen aber vermehrt zu Übelkeit, einige auch zu Schlafstörungen.

 
Medikamente wirken
Medikamte können das allgemeine Wohlbefinden deutlich steigern.
Allerdings können diese Medikamente auch ihrerseits depressive Symptome bewirken wie zum Beispiel atypische Depressionen (Dysthymie), Angststörungen (wie Generalisierte Angst oder Panikstörungen), Schmerzsyndrome (zum Beispiel Fibromyalgie oder Migräne), Ess-Störungen (speziell Bulimie) und funktionelle psychosomatische Syndrome wie Reizdarmsyndrom oder chronische Spannungskopfschmerzen.

Möglichkeiten und Grenzen
Auch wenn die Wirkung von Antidepressiva begrenzt ist, so kann sie für die Betroffenen oft genau den einen wesentlichen Unterschied bringen. Mit Medikamenten kann man eine depressive Phase zwar nicht abkürzen. Doch der Patient fühlt in dieser Zeit deutlich wohler und bleibt mitunter arbeitsfähig. Bei ausgeprägten Depressionen sollten darum wenn immer möglich Medikamente eingesetzt werden.

 
Johanniskraut
Johanniskraut
Antidepressive Heilpflanzen
Das Extrakt von Johanniskraut (Hypericum perforatum) hat in den letzten Jahren grosse Bedeutung gewonnen. Die Pflanze wirkt offenbar bei leichteren Depressionen und Verstimmungen. Allerdings haben auch pflanzliche Heilmittel ihre eigenen Nebenwirkungen. Johanniskraut zum Beispiel beeinflusst die Wirkung anderer Medikamente und macht den Betreffenden sehr lichtempfindlich. Bei schwereren Störungen reicht es allerdings nicht aus, und es sollten unbedingt stärkere Mittel eingesetzt werden.

Bearbeitung: Lebenshilfe-net.ch, Lothar Mack


Literaturhinweise:
A. Finzen u.a.: Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen, Psychiatrie-Verlag.
B. Müller-Oerlinghausen u.a.: Die Lithiumtherapie. Nutzen, Risiken, Alternativen, Springer-Verlag

Autor: Dr. med. Samuel Pfeifer
Quelle: seminare-ps.net

  Artikel versenden
Druckansicht
 
Rat & Hilfe per E-Mail
Haben Sie Fragen oder suchen Sie Rat? [weiter]

 

 

 

 

Suche 
Newsletter bestellen