Mut zur Aussprache

 
Mut zur Aussprache
„Ich muss mal mit dir reden ..." Wie ging es Ihnen, als zuletzt jemand mit diesen Worten auf Sie zukam? Freuten Sie sich auf das Gespräch? Oder hatten Sie sofort das Gefühl, etwas Unangenehmes stehe Ihnen bevor?

Manchmal sind konfrontierende Gespräche unumgänglich. Nicht alle Probleme lassen sich nur mit freundlicher Geduld und schweigendem Ertragen lösen. Aber auch wenn wir Menschen unangenehme Wahrheiten sagen müssen, können wir das in angemessenem Ton und mit einer liebevollen Haltung tun.

Angst wäre jedenfalls völlig fehl am Platz, wenn Sie Ihrem Partner, Ihrer Freundin oder dem Nachbarn Ihren Wunsch nach einem klärenden Gespräch ankündigen. Schwierig wird nur dann, wenn Sie dem Konfrontationsgespräch lange aus dem Weg gegangen sind. So nehmen beispielsweise Eheleute eingefahrene Verhaltensweisen des Partners oft jahrelang hin.

Es muss sich etwas ändern
Während einer unserer Radiosendungen beklagte sich einmal eine Frau über ihren Mann. Er schaute immer den hübschen Frauen nach, wenn sie zusammen unterwegs waren, und machte das so auffallend, dass sie sich sehr schämte. Sie hatte ihn schon oft darauf angesprochen, aber er meinte, sein Verhalten sei ganz normal, und konterte mit Vorwürfen: „Was du nur immer hast - so etwas mache ich doch nicht. Außerdem könntest du ja auch ein bisschen mehr auf deine Figur achten, dann müsstest du nicht immer auf andere Frauen eifersüchtig sein."

Irgendwann hatte sie aufgehört, mit ihrem Mann über das Thema zu reden. Es war zu traurig und zu deprimierend. Aber bevor sie uns anrief, war etwas Neues dazugekommen. Mitten in der Nacht war sie aufgewacht und hatte ihren Mann dabei erwischt, wie er sich am Computer pornografische Internetseiten ansah. Wir fragten sie, was sie dann gemacht habe. „Ich sagte ihm, er wäre pervers und ich könnte seine Nähe nicht mehr ertragen. Dann verkroch ich mich in meinem Bett und weinte die restliche Nacht. Seitdem bin ich völlig verzweifelt."

Den richtigen Zeitpunkt wählen
Es gibt Situationen, in denen muss man ein Konfrontationsgespräch führen, aber über etliches muss man auch einfach hinwegsehen. Bevor Sie also jemanden auf seine Schwächen ansprechen, sollten Sie sich fragen: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür? Vielleicht hat Ihnen jemand wehgetan, aber wenn es andere Dinge gibt, die es zuerst zu klären gilt, dann sehen Sie zunächst einmal darüber hinweg.

 
Aussprache
Schweigen allein, kann’s nicht sein.
Es gibt Menschen, die auf jeden Fehler ihrer Umwelt mit der vollen Kraft ihrer Empörung reagieren - oder überhaupt nicht. Ob ihr Partner sie zehn Minuten warten lässt oder ob er fremdgeht, das Maß ihres Zorns und Ärgers ist immer dasselbe. In Wirklichkeit müssen verschiedene Fehler und Verletzungen ganz unterschiedlich gewichtet werden. Wer beim Essen schmatzt, muss anders bestraft werden als ein Lügner oder ein Dieb. Anders herum: Lügen und Stehlen dürfen nicht als Bagatellen abgetan werden.

Positives sagen und deutlich werden
Je schwieriger das anstehende Gespräch voraussichtlich sein wird, desto wichtiger ist es, Ihre Motive und freundlichen Absichten zu betonen. Sie wollen etwas Gutes für den anderen oder sich selbst. Ihr Anliegen ist eine Verbesserung der Beziehung. Lassen Sie den anderen darüber nicht im Zweifel.

Noch wichtiger als die korrekte Formulierung ist jedoch die richtige Einstellung. Wenn es Ihnen wirklich um das Wohl des anderen geht, dann wird er das auch spüren. Sie könnten beispielsweise sagen: „Johannes, ich liebe dich und mir liegt sehr viel an unserer Beziehung. Deshalb will ich mit dir reden. Ich möchte, dass wir uns wieder besser verstehen." Und nun könnte der Moment gekommen sein, um das Problem direkt anzusprechen.

Du, Ich, Es
Werden Sie so konkret wie möglich, indem Sie Ich- und Du-Botschaften benutzen. Sie geben Ihre eigene Perspektive, die persönliche Position des anderen und das eigentliche Problem wieder. Das sind drei verschiedene Aspekte, die jeweils in der richtigen Weise angesprochen werden müssen. Also zum Beispiel: „Wenn du A machst, fühle ich B. Das mag ich nicht und ich möchte, dass du damit aufhörst." Alle drei Punkte des „Du-Problem-Ich"-Dreiecks sind genannt.

Hier ein konkretes Beispiel: „Thomas, ich will mit dir über unsere sexuelle Beziehung reden. In letzter Zeit fühle ich mich nicht mehr wohl, wenn wir zusammen schlafen, weil die körperliche Nähe nicht zu unserer sonstigen Beziehung passt. Oft redest du den ganzen Abend kaum ein Wort mit mir, obwohl ich immer wieder versuche, ein Gespräch mit dir anzufangen. Ich leide den ganzen Abend unter der Distanz zwischen uns. Und dann willst du mit mir schlafen. Das passt für mich nicht zusammen."

Bleiben Sie hartnäckig
Nach Ihren deutlichen Worten ist jetzt der andere an der Reihe. Hören Sie sich an, was er denkt. Dabei ist die ganze Bandbreite von Betroffenheit und Einsicht bis hin zu Rechtfertigung, Zorn und Gegenangriff möglich. Es ist auch möglich, dass er sich wehrt oder Sie verbal attackiert. Dann kommt es darauf an, dass Sie sich nicht verwirren lassen. Denn leider enden nur allzu oft viele gutgemeinten Gespräche weit ab vom eigentlichen Thema.

Um dies zu verhindern, prägen Sie sich die folgende Regel ein: Versuchen Sie die Gefühle des andern nachzuempfinden und sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen, aber kehren Sie dann wieder zum Thema zurück. Lassen Sie sich nicht in einen Streit verwickeln. Bleiben Sie selbst beherrscht und lassen Sie sich nicht von Ihrem Thema abbringen. Sie haben dieses Gespräch initiiert - entscheiden Sie also auch, in welche Richtung es läuft.

Konkrete Veränderungen
Oft verläuft ein Gespräch eigentlich ganz erfreulich, doch letztlich bleibt alles beim alten. Es ist aber wichtig, das Problem auch tatsächlich aus der Welt zu schaffen. Überlegen Sie sich rechtzeitig, um welche konkrete Veränderung Sie bitten wollen. Manchmal kann so ein klärendes Gespräch zu tiefgreifenden Veränderungen führen. Es kann aber auch sehr enttäuschend enden, wenn der andere zurückschlägt, egal, wie gnädig und liebevoll Sie vorgegangen sind.

Doch selbst wenn das Gespräch nicht viel bewirkt haben sollte, haben Sie etwas Gutes und Sinnvolles getan, indem Sie den anderen gewarnt haben.

Nach dem Gespräch

  • Lassen Sie Ihr Gegenüber noch einmal mit eigenen Worten, Ihre Position und das Fazit des Gesprächs wiederholen.
  • Im Idealfall einigen sich beide Gesprächspartner auf ein weiterführendes Vorgehen.
  • Bei schwerwiegenden Vorfällen wie Sucht, Ehebruch oder körperlicher Gewalt sollten Sie auf regelmäßiger seelsorgerlicher Hilfe von außen bestehen. Bei Rückfall sollten Konsequenzen folgen.
  • Haben Sie Geduld - aber nicht immer. Gewalt oder Sucht sind zu gefährlich, um einfach nur darüber hinwegzugehen. Bei harmlosen Problemen gilt jedoch: Hinfallen und Aufstehen gehören zum Leben dazu.
  • Wenn Sie Hilfe brauchen, dann gehen Sie nicht alleine in die nächste Konfrontation. Ziehen Sie eine dritte Person hinzu, falls der andere sich von Ihnen nichts (mehr) sagen lässt.


 
Buchtipp
Buchtipp:

H. Cloud u. J. Townsend: Grenzen setzen - Beziehungen bauen, Gerth-Medien, Asslar, 240 Seiten.

Autoren: H. Cloud, J. Townsend
Quelle: Neues Leben
Bearbeitung: Lebenshilfe-net.ch, Lothar Mack



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