Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein

 
Krishna
Anhänger von Hare-Krishna in der Kärntnerstrasse in Wien
Die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON), im Westen besser bekannt als Hare Krishna, ist eine von Abhay Charan Bhaktivedanta Swami Prabhupada gegründete Religionsgemeinschaft auf der Grundlage des Hinduismus vishnuitischer Prägung.

Der Hintergrund
Der Einfall der Muslime in Indien (14.-16. Jahrhundert) hinterliess im kollektiven Bewusstsein der Hindus eine tiefe Wunde, die bis heute nachwirkt. Die traditionelle Religions- und Gesellschaftsordnung (Kastenordnung) wurde erschüttert, die Hindus sahen sich anstelle von hinduistischen Brahmanen und Fürsten von fremdgläubigen Eroberern regiert, Tempel wurden zerstört. Religiöse Lehrer versuchten auf diesen „Zusammenprall der Kulturen" auf verschiedene Weise zu reagieren. Einer dieser Lehrer war Chaitanya. Er begründete eine auf den Gott Krishna bezogene Frömmigkeitsbewegung, die über Kasten- und Religionsgrenzen hinwegging Menschen unterschiedlichster Herkunft einbezog. Wichtigstes Kennzeichen dieser Bewegung war das ekstatische Singen des Mantras Hare Krishna. Hari ist ein Beiname des Vishnu; Rama bedeutet wörtlich „Freude" und bezeichnet den siebenten Avatar des Gottes Vishnu, den Heros und Gott Rama. Da „in diesem Zeitalter des Streites und der Heuchelei" (die traditionelle Gesellschaftsordnung war beschädigt) die ordnungsgemässe Durchführung religiöser Rituale nicht mehr möglich sei, bildete das Singen des Mantras den einzigen Weg zur Erlösung.

Nach seinem Tode erlangte Chaitanya im Bewusstsein seiner Anhänger schnell den Status eines Gottes; er wird von ihnen als zehnter Avatar des Vishnu beziehungsweise als Reinkarnation des Krishna betrachtet (diese Deutung wird von dem meisten Anhängern des Hinduismus nicht geteilt).

Im 19. Jahrhundert ergab sich ein weiterer „Zusammenprall" des Hinduismus mit den auf die Lehren des Hinduismus herabschauenden christlich-protestantischen britischen Invasoren. Als Reaktion auf das missionarisch auftretende und Exklusivität beanspruchende Christentum wurde versucht, die Bhagavad Gita als „Bibel des Hinduismus" zu etablieren und eine Krishna-Religion zu schaffen, die auf Chaitanya als „Messias" aufbaut und nach aussen missionarisch auftritt. In seinem Aufsatz „Das Bhagavata: Seine Philosophie, seine Ethik und seine Theologie" bezeichnet Bhaktivinoda Thakura den Mystiker Chaitanya in Analogie zu Jesus Christus als „Heiland des Ostens". Bhaktisiddhanta Saraswati, der Sohn des Bhaktivinoda Thakura, gründete den Orden Gaudiya Math (Orden der Gaudiya Vaishnavas), dessen Ziel es war, die Religion von Krishna „auf der ganzen Welt" zu verbreiten. Da die meisten Hindus jedoch Indien als „heiliges Land" ansehen und es deswegen in früheren Zeiten seltener verliessen, blieb die Krishna/Chaitanya-Religion vorläufig auf Indien beschränkt.

Einer, der den Auftrag Thakuras ernst nahm, war Abhay Charan Bhaktivedanta Prabhupada (1896-1977). Dem Wunsch seines Meisters folgend, begab er sich in den 1960er Jahren in die Vereinigten Staaten. Zunächst nach Boston, dann nach New York, schliesslich nach Kalifornien, dem „Mekka" der Aussteiger, Esoteriker und Hippies, wo seine Botschaft auf offene Ohren stiess. Die amerikanische Gesellschaft befand sich im Umbruch (Vietnamkrieg, Frauenrechte, Gleichberechtigung der schwarzen Mitbürger); das allgemeine Interesse an fernöstlichen Religionen war hoch. Kurzzeitig hatten die Lehren der ISKCON grossen Einfluss auf die Popkultur (George Harrison, My sweet lord, Musical Hair); von Amerika aus verbreitete sich die ISKCON als Grossstadt-Religion über die ganze Welt.

Die Lehren der ISKCON

  • Es gibt einen Gott; dieser Gott ist persönlich; Krishna ist die höchste (eigentliche) Verkörperung dieses Gottes (in Chaitanya zeigt sich Krishna als vollkommener Diener Gottes).

  • Die Lebewesen sind „winzige Bestandteile" dieses Gottes; ihre eigentliche Bestimmung ist es, ihre Liebe und individuelle Beziehung zu Gott wiederzuerwecken.

  • Um dies zu erreichen, versuchen die Gläubigen, Krishna in der Meditation über den Klang seiner Namen zu begegnen.

  • Damit diese Meditation ihre volle Kraft entfalten kann, wird empfohlen, bestimmte Reinheitsgebote zu befolgen, insbesondere: Verbot von Fleisch, Alkohol, Glücksspiel und Sexualität (ausser in der Ehe und ausschliesslich zur Zeugung von Kindern).

Hauptform des Gottesdienstes ist das gemeinsame Singen von Sanskrit-Mantras, hauptsächlich Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna, Hare Hare/Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare. Dieses Singen wird Chanten oder Sankirtan genannt.

Praxis
Der Sankirtan funktioniert nach dem Prinzip „Ruf und Antwort"; das heisst ein Vorsänger singt eine Phrase auf Sanskrit, welche anschliessend vom Chor wiederholt wird. Der Sankirtan erfolgt zumeist unter Begleitung charakteristischer indischer Musikinstrumente wie Harmonium, Karatalas (kleine Zimbeln) und Mridangas (eine längliche Trommel mit zwei Enden, die man sich umhängen kann).

Der Sankirtan dauert im Schnitt 1 ½ bis 2 Stunden; dabei wird häufig ein Altar mit Lichtern, Blumen(kränzen), Räucherstäbchen und so weiter geschmückt. Auf dem Altar stehen Bilder hinduistischer Gottheiten und Heiliger; insbesondere von Krishna und seiner Freundin Radha, von Chaitanya und seinen Jüngern sowie von Prabhupada und der Linie der Gurus, aus der Prabhupada stammt. Die Bilder gelten als „transzendental"; das heisst sie werden als „lebendig" angesehen. Während des Rituals wird den Bildnissen vorbereitetes vegetarisches Essen dargebracht.

Nach Beendigung des Sankirtan wird aus einem Werk Prabhupadas vorgelesen, etwa aus seinen Kommentierungen der Bhagavad Gita und des Bhagavata. Die Textstelle wird vom Vorleser interpretiert; es besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Nach der „Predigt" folgt mitunter noch ein kleiner Gesang; anschliessend die Verteilung der Opferspeisen an die Teilnehmer. Die von den Gottheiten „angerührten" Speisen gelten als heilig; man bezeichnet die Speisen dann als „Prasadam" (göttliche Gnade). Der Verzehr der geheiligten Speisen führt zu einer „Vereinigung" mit Krishna und soll auch „Ungläubige" von allen Sünden befreien.

Religiöse Regeln
Wer in die ISKCON als Mönch oder Nonne eintritt, muss sich einem rigiden System mit detaillierten Vorschriften und einem streng geregelten Tagesablauf beugen. Jedes Ordensmitglied muss pro Tag 1728 Wiederholungen des Mantras „Hare Krishna ..." singen. Hierbei wird eine „Japa-mala" verwendet, das in Asien gebräuchliche Gegenstück zum „Rosenkranz", eine Kette mit 108 Perlen, welche die 108 Gefährtinnen von Krishna symbolisieren.

Verboten sind bestimmte Speisen und Substanzen (neben Fleisch, Eiern, Alkohol, Drogen auch Knoblauch, Zwiebeln, scharfe Gewürze, Kakao, Kaffee, „echter" Tee - nicht Kräutertee). Verboten ist auch alles, was Ei(bestandteile) enthält, zum Beispiel bestimmte Nudeln, die meisten Kuchen und Gebäcke. Bei Käse ist zu differenzieren, ob dieser Lab enthält (dann verboten). Pilze sind zwar nicht „verboten", gelten aber als „nicht opferfähig", weil sie auf „Verrottetem" wachsen.

Unerwünscht ist jegliche Beschäftigung, die nicht auf Krishna abzielt (etwa Kino, Fernsehen, nicht krishnabewusste Bücher und Zeitschriften, Ausgehen, sonstige Vergnügungen). Im allg. sollte ein „krishnabewusster" Mensch alles für „Krishna", das heisst die ISKCON aufgeben. Dies wird von den Anhängern mit unterschiedlicher Konsequenz befolgt.

Bis in die 1980er Jahre vertrat die ISKCON auch eine sehr restriktive Einstellung gegenüber Frauen, Kindern und Familie. Durch das Aufbegehren ehemaliger Gurukulaschüler haben diesbezüglich seit den 1990er Jahren in der Gemeinschaft Reformbestrebungen begonnen.

Beachtet werden spezifische Fastentage und Feiertage des Hinduismus vishnuitischer Prägung. Gefastet wird insbesondere am elften Tage nach Vollmond und am elften Tage nach Neumond (Ekadashi-Tage). Gefeiert werden insbesondere der Geburtstag Chaitanyas (Gaura Purnima) im März, der Geburtstag Krishnas (Janmashtami) Ende August /Anfang September und der Geburtstag Prabhupadas (1. September 1896).

Besonderheiten der ISKCON

  • Nach der Grundüberzeugung vieler Anhänger des Vishnuismus steht die individuelle Seele zu Vishnu bzw. Krishna in einer Beziehung liebender Hingabe. Diese wird als Bhakti Yoga bezeichnet.

  • Nach den Lehren der von Chaitanya begründeten vishnuitischen Glaubensschule Gaudiya Vaishnava (zu der die ISKCON gehört), kann sich diese Haltung in fünf Formen (rasas) ausdrücken. Diese Formen sind: neutrale Haltung, Unterwerfung, Freundschaft, eltertliche Fürsorge und eheliche Liebe.

  • Die ISKCON betont dabei die Beziehung der Unterwerfung. Nach der Auffassung der ISKCON ist es die Aufgabe aller Lebewesen, Krishna (und seinen Stellvertretern auf Erden, den ISKCON-Gurus) „hingebungsvoll zu dienen".

Dieser Leitidee entsprechend werden die heiligen Schriften der Hindus interpretiert. Beispielsweise übersetzt Prabhupada in der Bhagavad Gita das Sanskrit-Wort bhakti, welches „Hingabe" bedeutet, als „hingebungsvoller Dienst". (Anmerkung: Dienst heisst auf Sanskrit „seva", nicht „bhakti").

Eine wichtige Form des „Gottesdienstes" ist die Verteilung von Büchern und sowie das Eintreiben von Spenden. Der Vertrieb von Büchern ist ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der ISKCON, die mit ihrem System von Tempeln und „im hingebungsvollen Dienst tätigen" Anhängern, wie viele andere umstrittene Religionsgemeinschaften, über eine kommerzielle Vertriebsstruktur nach dem Vorbild internationaler Wirtschaftsunternehmen verfügt.

Allgemein ist festzuhalten, dass ISKCON aufgrund der Veränderungen im Zeitgeist heutzutage weniger Anhänger anzieht als in den 1960er und 1970er Jahren. Auch fallen diese in der Öffentlichkeit nicht mehr so stark durch missionarische Aktivitäten und äusserliche Merkmale (indische Kleider) auf.

ISKCON in Indien
Aufgrund der von ihr verkündigten sehr spezifischen religiösen Lehre (Gaudiya Vaishnava) hat die Organisation sowohl in der „religiösen Landschaft" des Westens als auch innerhalb der Glaubensrichtungen des Hinduismus in Indien eine eher randständige und auch nicht konfliktfreie Rolle inne. Nichtsdestotrotz hat sie sich aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung zur vermutlich bedeutendsten „Anlaufstelle" für Auslands-Inder hinduistischen Glaubens entwickelt. Für indische Politiker ist die ISKCON eine effektive Lösung, hinduistische Landsleute im Ausland zu „erreichen". Hieraus ergeben sich zum Teil umstrittene Beziehungen der ISKCON zu hochrangigen indischen Politikern und zu Strömungen des indischen Nationalismus auf religiös geprägter Grundlage.

Bewertung der Hare-Krishna-Sekte
Der Bekennermut vieler Hare-Krishna-Anhänger ist beachtlich. Ihre Hingabe und Disziplin können auch manchen müde gewordenen Christen ein Vorbild sein. Allerdings muss ihr Art von Gottesdienst als ein neubelebtes Heidentum interpretiert werden. Auch dreht sich diese Religion so stark um die eigene Vervollkommnung, dass der Dienst an den Mitmenschen in den Hintergrund tritt.

Die lang und monoton wiederholten sogenannten Mantras können außerdem das Bewusstsein verändern. Ähnlich wie vor einer Hypnose wird durch monotone Wiederholung der wache Teil des Bewusstseins eingeschläfert und ein psychedelischer Zustand herbeigeführt.

Bewusstseinsveränderung durch mantrahafte Gebete (Rosenkranz, Taize-Gesänge, „99 Namen Allahs" etc.) ist eine in den meisten Religionen verbreitete und erwünschte Meditationsform. Mantraartige Meditation kann aber auch missbraucht werden, um Informationen direkt ins Unterbewusstsein fließen zu lassen. Auf diese Weise kann sogar eine Bewusstseinskontrolle erfolgen.


Weiterführende Links:
Die Website von Hare Krishna Schweiz
ISKCON Hare Krishnas - Kurzinfos und weitere Links auf Relinfo.ch

Krishna-Bewegung ISKCON - Das Bistum Trier informiert.

Wandel in der ISKCON? - Ein Aussteiger berichtet.


Quelle: Wikipedia, Lebenshilfe-net.ch
Bearbeitung: Fritz Imhof

 



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