Flucht aus der Scientology-Hochburg – nach 17 Jahren

 
Karen Pressley
Karen Pressley, ehemalige Scientologin, klärt heute über diese angebliche Kirche auf. Ihre Zuhörer danken es ihr, wie hier im Bild mit Briefen.
Karen Pressley kennt die Scientology-Bewegung bestens. Sie gehörte zum engsten Mitarbeiterstab im US-Hauptquartier. Doch dann wurde der Druck übermächtig, und sie ergriff die Flucht.

Eine von Ausserirdischen erschaffene Menschheit? Das hat sie alles schon zigmal gehört, dieses Märchen von Aliens, die vor Jahrtausenden den Grundstein für die menschliche Kultur gelegt haben sollen. Filmschauspieler wie Tom Cruise verpacken diese Lehren ganz geschickt und verbreiten sie überall.

Karen Pressley dazu: „Tom Cruise macht genau das, was die Scientology-Führer von ihm erwarten: Er beeinflusst als Prominenter die öffentliche Meinung. Für Scientology ist er ein nützliches Werkzeug. Sie instrumentalisieren Leute wie ihn oder auch Priscilla und Lisa Marie Presley (die Witwe bzw. Tochter von Elvis Presley), Kirstie Gasse, Greta Van Susteren, Chick Corea und Isaac Hayes. Die machen Scientology nach aussen hin ‚glaubwürdiger' und ziehen andere mit hinein."

Mein Weg in die Sekte
17 Jahre lang steckte Karen Pressley in dem Kult drin, fast die Hälfte ihres Lebens; davon 9 Jahre im internationalen Hauptquartier bei Palm Springs in der kalifornischen Wüste. Ihr grosser Hunger nach Wahrheit hatte sie dort hingeführt. „Mit 12 fing das so richtig an. Von der katholischen Kirche hatte ich mich verabschiedet. Aber wo sollte ich nun hin?"

In Houston, Texas, lernte die Modedesignerin einen ehrgeizigen Musiker kennen, Peter Schless. Sie zogen in die Nähe von Hollywood. 1982 schrieb Peter unter Karens Mithilfe den Hit „On the wings of love" („Auf den Flügeln der Liebe"). Jeffrey Osborne nahm den Song auf und landete damit sofort ganz oben in den Charts.

Das öffnete dem Paar die Glitzerwelt von Hollywood - und damit auch von Scientology. Peter und Karen betrieben ein eigenes Aufnahmestudio. Das brachte es mit sich, dass Peter mit Grössen wie Melissa Manchester, BB King und den Allman Brothers herumtourte; daneben auch als Pianist von Cher.

Scientology füllt die Leere
„Scientology hatte anscheinend Antworten auf alle meine Fragen", meint Karen rückblickend. „Mir ist auch klar, warum Künstler und Leute aus dem Showgeschäft so drauf ansprechen. Ihr Beruf bedeutet eine permanente Verunsicherung. Man ist immer nur so gut wie sein letzter Erfolg, ob nun in einem Film oder mit einem Lied. Eine Garantie, ob das auch so weitergeht, gibt es nicht. Die Menschen müssen sich ständig einer öffentlichen Meinung beweisen, die auch noch ihrerseits schwankt. Das prägt die Leute, und Scientology nutzt das voll aus."

Normalerweise rechnet man beim Menschen mit 5 Sinnen, nämlich Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken; manchmal noch mit einem 6. namens Intuition. Nach Ron L. Hubbard, dem Begründer von Scientology, gibt es aber 57 solcher Sinne. Wenn man nun jeden dieser Einzelbereiche weiterentwickelt, dann könne man schliesslich sein Leben kontrollieren, einschliesslich der Karriere. - Das macht die Faszination dieser Lehre aus.

Wer das oberste Level erreicht hat, der könne sogar die Gedanken anderer steuern und allein mit seiner Geisteskraft Gegenstände bewegen, wie man Karen beibrachte. Berichten zufolge soll Tom Cruise eine halbe Million Dollar ausgegeben haben, damit er alle negativen Einflüsse aus dem Leben verbannen kann.

„Scientology ist eine völlig egozentrische Sache. Es geht einzig und allein darum, alles so zu steuern, damit genau das herauskommt, was ich mir vorgestellt habe", beschreibt Karen die Lehre dieser Sekte. „Sie mag sich selber Kirche oder Religion nennen. Aber alles richtet sich nach innen, nicht nach aussen. Über ein vages ‚höchstes Wesen' geht die Lehre nicht hinaus."

In missionarischem Eifer
Allmählich wuchsen Karen und Peter so sehr in die Organisation hinein, dass sie ins internationale Hauptquartier umzogen. Ihren aufwendigen Lebensstil liessen sie hinter sich - um nun 16 Stunden pro Tag und 6 ½ Tage die Woche für ganze 45 Dollar zu arbeiten.

„Ich hing so sehr an Hubbarts Lehren, dass ich wirklich meinte, ich täte der Menschheit den grössten Gefallen damit, wenn ich Scientology überall verbreite." Sie stand mit dieser Einstellung nicht allein da. „Das Leitungsteam arbeitet mit der Hingabe von Mönchen. Irgendwann glaubt man tatsächlich, dass man sein Leben hingibt, um die Menschheit voranzubringen."

Peter war in der Öffentlichkeitsarbeit. Er komponierte Musik, die das Anliegen von Scientology unterstützen sollte. Karen arbeitete in einer Abteilung, die für die „Gemeinden" auf der ganzen Welt Kleider entwarf und herstellte. Sie reiste in der Welt herum, um herauszufinden, wie sich die Kirchenmitglieder am vorteilhaftesten kleiden, damit sie von ihrer Umgebung geschätzt würden.

Während aber Peter in seiner Arbeit aufging, liess sie in Karen eine Leere zurück. Das Fehlen jeglichen Privatlebens und die übergrosse Arbeitsbelastung wurden ihr zuviel; sie wollte weg. Peter sah das anders. Doch zwei Fluchtversuche von ihr scheiterten.

Gefangen wie in einem Konzentrationslager
„Die Leute haben keine Ahnung, wie sehr Scientology alles und jeden kontrolliert. Im Hauptquartier arbeiten ungefähr 800 Personen. Sie stellen ihr ganzes Leben der Organisation zur Verfügung. Wir selber arbeiteten von 8 Uhr morgens bis Mitternacht. Kinderkriegen war verboten; es würde nur von unserer Mission ablenken."

Karen weiter: „Das war nur zahlenden Kunden gestattet wie etwa Tom Cruise, John Travolta und anderen. Dafür konnten wir alle Seminare gratis besuchen, und das wollte viel heissen. Als ‚Abtrünnige' haben sie mir aber trotzdem 225'000 Dollar für Kost und Logis sowie für die Unterweisungen von vier Jahren in Rechnung gestellt."

Untergebracht waren diese Mitarbeiter teilweise in Siedlungen ausserhalb des Geländes. „Bewachte Transportdienste organisierten die täglichen Fahrten. Auch das Gelände selber war von Drahtzäunen umgeben und streng bewacht", beschreibt Karen. „Niemand sollte unbefugt eindringen können, wie man uns erklärte. Und wenn wir uns selber nach draussen begaben, kam immer eine Wache mit. Auch die Handy-Gespräche wurden kontrolliert."

Die Heimsuchung
Im Juli 1998 war Karen mit ihren Kräften völlig am Ende. Sie wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Selbst wenn sie dabei ihren Ehemann verlieren sollte - sie wollte fliehen. Mitten in diesen Überlegungen wurde sie unerwartet von einem Frieden erfüllt, den ihr Gott selber geschickt haben musste, wie sie im nachhinein erklärt.

Dabei habe sie Gott noch gar nicht gekannt und wusste ja auch nicht, wo sie ihn hätte suchen solle. Es war für sie ein Erlebnis wie bei Paulus auf dem Weg nach Damaskus.* „So einen Frieden hatte ich noch nie in meinem Leben erfahren. Gott sprach mit mir im Geiste und gab mir sein Okay zum Weggehen. Ich wusste, er würde sich um mich kümmern." Karen beschloss, zu ihrer Mutter nach Georgia zu gehen.

Die Flucht
Karen gehörte zu den wenigen Privilegierten mit eigenem Auto. Sie wollte es nun als Fluchtfahrzeug verwenden. Nur war da noch der Kontrollposten an der Einfahrt. Am folgenden Nachmittag gab sie vor, sie hätte Wäsche zu erledigen; eine Arbeit, für die sie eigentlich gar kein Auto brauchte, denn die Waschküche war grade nebenan.

In den Körben versteckt hatte sie einige persönliche Kleinigkeiten sowie 48 Dollar an Bargeld. Die Wache stutzte zwar, dass sie so früh am Abend mit Wäsche unterwegs war, liess sie aber passieren. „Es war, wie wenn ihm die Augen zugehalten waren", meint Karen. Zusammen mit einem Pendlerbus konnte sie die Abschrankungen hinter sich lassen.

So fuhr sie nach Los Angeles zu einem Bekannten, der ihr einmal von seinem christlichen Glauben erzählt hatte. Er erkannte ihre Zwangslage und brachte sie in ein Hotel. Tags darauf fuhren sie zum Flughafen von Las Vegas, wo er ihr einen einfachen Flugschein nach Atlanta besorgte.

Los Angeles wäre nicht infrage gekommen. Scientology überwachte den gesamten Nah- und Fernverkehr der Region. Man hätte sofort herausgefunden, wohin sie unterwegs war, und die eigene Schutztruppe verständigt. Las Vegas hingegen wurde von diesem System nicht mehr erfasst.

Neue Perspektiven
Was Karen nicht wissen konnte: Ihre Mutter war inzwischen zum Glauben an Jesus Christus gekommen und hatte immer mit ihrer Bibelgruppe gebetet, dass ihre Tochter aus Scientology herauskommt. Ein halbes Jahr lang wollte Karen jedoch von jeglicher Art von Glauben nichts wissen. Aus der Sicht von Scientology waren das alles nur gescheiterte Anläufe der Menschen - bis schliesslich Hubbards System auf den Plan trat.

In dieser Gedankenwelt war Karen noch gefangen. Andererseits wollte sie auch nicht zu Scientology zurück. „Ich war durcheinander und völlig erschöpft", gesteht sie.

Langsam jedoch fasste sie Vertrauen zu den Vorschlägen ihrer Mutter und ging mit ihr an eine Weihnachtsveranstaltung. Der Chor sang von Liebe und Vergebung und vom Angenommensein durch Gott. Nach und nach begleitete sie auch ihre Mutter in die Gottesdienste, bis sie im März 1999 ja sagte zu einem eigenen Weg mit Jesus.

Der Pfarrer hatte eine Predigtreihe mit einem Vers aus Josua 24,15 beendet: „Wählt euch heute, wem ihr dienen wollt. Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen." Diesen Schritt tat auch Karen.

Bessere Ziele mit Gott
Seitdem erlebt sie, wie sie selber sagt, „eine geistliche Erneuerung". „Ich habe die Wahrheit gefunden, die ich mein ganzes Leben gesucht hatte, und ich weiss, dass ich meine Erlösung auch dem beharrlichen Gebet meiner über 70jährigen Mutter verdanke."

Ihre Scheidung musste auf dem schriftlichem Weg vollzogen werden. Seit ihrer Flucht hat sie nie mehr ein Wort mit Peter gewechselt. Scientology verbietet jeglichen Kontakt zu Ausgetretenen, auch wenn man 21 Jahre miteinander verheiratet war.

Im Kirchenchor lernte sie ihren späteren Ehemann Greg Pressley kennen. Seit 2002 leiten sie miteinander den Dienst „Wings of Love" („Flügel der Liebe"). Karen gibt dort ihre Erfahrungen weiter - auch an Menschen, die immer noch Angehörige in dieser Sekte haben.

„Gott hat mich aus der Scientology herausgeholt, damit ich diese falschen Lehren ans Licht bringe und denen helfe, die dort ausbrechen. Ich habe eine Verpflichtung, vor Scientology zu warnen, damit sie ihnen nicht auf den Leim gehen. Vor allem aber bin ich selber jetzt nicht mehr auf der Suche."

* Eine Anspielung auf einen Bericht im Neuen Testament: Der Christenverfolger Saulus war unterwegs nach Damaskus, als er von einem Licht zu Boden geworfen wird. Aus dem Licht spricht Jesus zu ihm, und der bisherige Saulus wandelt sich zum Missionar Paulus; nachzulesen in Apostelgeschichte 9.

Quelle: Baptist News
Übersetzung und Bearbeitung: Lebenshilfe-net.ch



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