lebenshilfe-net.ch - 28.03.2024, 17:57
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Warum gibt es so viele Scheidungen?

 
Ehe, Scheidung, Trennung
In den grösseren Schweizer Städten lässt sich mittlerweile jedes zweite Paar scheiden. Das geht oft schnell und nach aussen wenig spektakulärer vonstatten. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Der Aarauer Paartherapeut Beat Tanner stellt fest, dass viele Paare heutzutage weniger konfliktfähig sind. Gegenseitige Kritik und hohe Ansprüche erdrücken die Wertschätzung für den andern.

Herr Tanner, weshalb ist die Scheidungsrate so hoch?
Die Verbindlichkeit in einer Beziehung ist heute weniger wert als noch vor ein paar Jahren. 1968 und danach gab es einen extremen Wertewandel. Alles, was verbindlich war, galt als konservativ, verpönt und verstaubt. Man hatte Sex mit etlichen Partnern, lebte in Kommunen und gestaltete seine Beziehungen recht oberflächlich. Doch die 68er sprengten auch die gesellschaftlichen Ketten von Frauen und propagierten neue Denkweisen usw. Aber die Beziehung bekam ein neues, unverbindliches Cover, das bis heute andauert.

Wo beginnt das Scheitern einer Beziehung?
Das kann sehr früh anfangen. Vielleicht schon da, wo man noch glaubt, es sei alles in bester Ordnung. Wichtig ist von Anfang an, dass die Positionen der Partner geklärt werden. Jeder soll dem anderen klar und deutlich mitteilen, was er erwartet, wie er denkt und was er fühlt.

Das ist einfacher gesagt als getan. Vor allem Männer warten aber gerne ab, bleiben passiv und schlucken ihre Gefühle runter.
Das ist tatsächlich ein grosses Problem. Meine Frau zum Beispiel hat mich von Anfang an dazu aufgefordert, nicht passiv zu bleiben. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Denn ich bin genau der Typ, der das machen würde: einfach mal abwarten, zuschauen, was passiert, und zurücktreten.

Haben Sie ein Beispiel?
Ganz einfach: Meine Frau fragte mich, ob wir dieses Wochenende noch weggehen wollen, und ich habe ihr klar meine Pläne geschildert. Sie schätzt das und nimmt dann ihrerseits dazu Stellung. Oder denken Sie an wichtige Dinge wie Kindererziehung, existenzielle Probleme oder Sorgen im Beruf. Hier wie da sind klare Antworten gefragt und nicht Passivität.

 
Beat Tanner
Beat Tanner
Welche weiteren Aspekte fehlen einer scheiternden Beziehung?
Oftmals fehlt die Bereitschaft zu dienen, für den Partner jederzeit dazusein, ihm Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen. Mit dem Kritisieren geht das verloren. Ein Nörgler findet immer einen Grund, um am Partner herumzumäkeln. Statt einer Wertschätzung macht sich dann Verachtung breit, und die zerstört die Beziehung wie eine Säure.

Worauf ist die fehlende Wertschätzung zurückzuführen?
Da spielt zum Beispiel die eigene Erziehung eine Rolle. Verwöhnte Kinder werden zu Erwachsenen, denen alles selbstverständlich ist. Gutes honorieren sie nicht mit Wertschätzung, sondern sehen nur, was ihnen nicht passt. Die Zeiten der Grossfamilien sind vorbei, in denen die Kinder gelernt haben, das Leben zu teilen. Als Erwachsene wollen sie alles haben, sind selber aber nicht bereit, etwas zu geben. Sie wollen bedient werden, statt zu dienen. Zwei Partner mit dieser Haltung haben schon von Anfang an ein Problem.

Sie haben solche Paare in der Therapie. Was machen Sie mit ihnen?
Wertschätzung geben und die Bereitschaft zum Dienen, das ist lernbar. Es braucht aber Zeit. Weisheit bedeutet, dass ich die Kunst des Lebens und der Beziehung verstehe. Dazu gehört zum Beispiel die Bereitschaft, zu vergeben und sich wieder zu versöhnen. Das bringt Sicherheit in die Familie – eine Voraussetzung für jede Form von Veränderung.

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Kontaktadresse Beat Tanner:
Christliche Fachstelle für Ehe, Familie, Erziehung und Lebensberatung
Bleichemattstrasse 15
5000 Aarau
Tel. 062 823 90 77
E-Mail: ab.tanner@gmx.ch

Autor:  Iris Muhl
Quelle: Livenet.ch
Datum: 18.04.2006

 
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