lebenshilfe-net.ch - 28.03.2024, 17:30
URL: http://www.lebenshilfe-net.ch/index.php/D/article/826/48395/

Mit Neid umgehen

Zwei Drittel der Leute sind neidisch auf andere. Jeder Zweite versucht, das Gefühl der Missgunst zu unterdrücken. Neid greift aber auch die Gesundheit an. Wie damit umgehen?

Mehr als ein Fünftel der Befragten ist der Meinung, im Vergleich mit anderen Menschen zu kurz gekommen zu sein.

Jeder Vierte, so fanden die Meinungsforscher der Gesellschaft für Konsumforschung ebenfalls heraus, vergleicht seine Lebenssituation häufig mit der anderer Menschen. Bei mehr als 40 Prozent der Menschen richten sich die Neidgefühle gegen Freunde und Bekannte. Dagegen missgönnen nur zwölf Prozent Prominenten ihren luxuriösen Lebensstil.

Mehr als ein Fünftel der Befragten ist der Meinung, im Vergleich mit anderen Menschen zu kurz gekommen zu sein. Bei jedem Zehnten entwickelt sich aus dem Neid die Wut über vermeintliche Ungerechtigkeiten. Gut vier Prozent gaben an, dass sie sich sogar schon zu einem Versuch hinreissen liessen, beneideten Mitmenschen zu schaden.

Neid macht krank
„Die gefährlichsten Herzkrankheiten sind immer noch Neid, Hass und Geiz." Die amerikanische Schriftstellerin Pearl Sydenstricker Buck (1892 bis 1972) stellte schon zu ihrer Zeit fest, was heute medizinisch gesichert ist: Neid tut nicht nur der Seele weh, sondern auch dem Körper.

Viele Menschen sind buchstäblich krank vor Neid: So leiden beispielsweise fast fünf Prozent der Deutschen bei Neid auf andere unter körperlichen Beschwerden wie Magenschmerzen oder Herzrasen. Fast vier Prozent schlafen schlecht oder kämpfen mit massiven Schlafstörungen.

Ebenso viele fühlen sich ohnmächtig und "wie gelähmt". Dieser Typ von Neidern steigert sich in unendliche Trauer, die sie lähmt und zerstört, sagt Rolf Haubl, Psychologie-Professor und Direktor des Sigmund-Freud-Instituts. "Das kann in der dramatischen Form zu Depression führen."

Die eigenen Talente sehen
"Im Kern ist der Neid aber ein Krieg, den wir gegen uns selbst führen", sagt Antje Balters, Autorin des Ratgebers «Neidlos glücklich». Bekämpfen lasse sich der Neid nur, wenn man die Beziehung zu sich selbst ändert. "Man muss sich selbst bejahen, in den eigenen Grenzen", rät Balters. "Das ist die beste Neidbremse."

"Neidische Menschen werten die eigenen Fähigkeiten ab", sagt Psychologe Haubl. Wer unablässig Dingen nachjagt, die anderen scheinbar in den Schoss fallen, fällt doppelt zurück: Er wird den Konkurrenten kaum einholen und vernachlässigt gleichzeitig die Pflege der eigenen Talente.

"Neid ist immer der Spiegel meines eigenen Mangels", erklärt Helga König, Psychologin aus Dorsten. "Statt auf mich selbst konzentriere ich mich auf den anderen." Besonders ausgeprägt seien neidische Gefühle bei Menschen mit mangelndem Selbstwertgefühl, die nicht gelernt haben, nach den eigenen Bedürfnissen zu leben.

Jeder prüfe sich selbst
Diese Selbsterkenntnis wird aber auch dadurch erschwert, dass Neid gesellschaftlich verpönt ist. Darum ist der erste Schritt aus der Neidfalle der schwerste: Sich den Neid einzugestehen. Wichtig ist daher herauszufinden, was wirklich hinter dem Neid steckt.

In einem ruhigen Moment sollte man sich die Frage stellen: "Was ist wirklich los mit mir?" Neid weist den Betroffenen darauf hin, dass er mit sich selbst und seiner Umwelt nicht im reinen ist. Es ist eine Art Aufforderung, sich mit dem eigenen Lebensentwurf auseinanderzusetzen.

Neid positiv nützen
Neid weist uns eigentlich darauf hin, dass wir ein bestimmtes Bedürfnis haben: Das will ich auch! Neid enthält also im Keim durchaus eine Kraft, die wir nutzen können, indem wir sie nämlich als Antrieb betrachten, selbst aktiv zu werden. Dabei ist es wichtig, zwischen zwei Arten von Neid zu unterscheiden: den Neid auf Sachen, Gegenstände und Besitz und den Neid auf Eigenschaften, Fähigkeiten und Aussehen.

Auf wen oder was waren Sie zuletzt neidisch? Waren Sie neidisch auf etwas Äusseres wie Aussehen oder Besitz oder auf etwas Inneres, eine Charaktereigenschaft, eine besondere Fähigkeit oder Verhaltensweise? Angenommen, Sie besässen das Beneidete, was wäre dann anders in Ihrem Leben?

Im Neiden steckt ein Stück Anerkennung für die Leistung und die Fähigkeiten eines anderen Menschen. Scheuen Sie sich nicht, es Menschen, die Sie mögen, auch mitzuteilen. Neid kann man durchaus als Kompliment verstehen, wie es etwa in der Formulierung: "Das hat er gut gemacht, das muss der Neid ihm lassen", zum Ausdruck kommt.

Drei Tipps
Schämen Sie sich nicht, wenn Sie Neid empfinden! Betrachten Sie dieses Gefühl vielmehr als ungewöhnlichen Hinweis auf ein eigenes Bedürfnis.

Fragen Sie sich lieber, welche Möglichkeiten es gibt, eine beneidete Fähigkeit selbst zu entwickeln. Etwas, das Sie gerne haben möchten, auf Ihre eigene Weise zu bekommen oder umzusetzen.

Falls Sie dazu neigen, andere übermässig zu beneiden, würdigen Sie das, was Sie einzigartig macht und überlegen Sie: Was habe ich, was andere neidisch machen könnte und welche Fähigkeiten besitze ich, die andere nicht haben? Was macht mein Leben wertvoll, und zwar unabhängig von Besitz und Erfolg?

 
Ohne Neid glücklich
Einer schaut nicht auf die Unterschiede

Die Autorin Antje Balters bekennt, dass sie früher selbst an geringem Selbstwertgefühl gelitten und ihr Buch über den Neid deshalb nicht zuletzt aus therapeutischen Gründen geschrieben habe. Ihr habe die religiöse Gewissheit geholfen: "Gott liebt jeden bedingungslos." Er schaut nicht auf die Unterschiede - ein Grund, auch selber nicht neidisch zu sein.

Bearbeitung: Lebenshilfe-net.ch

Autor: Bruno Graber

 
Rat & Hilfe per E-Mail
Haben Sie Fragen oder suchen Sie Rat? [weiter]

 


© lebenshilfe-net.ch
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Livenet.