lebenshilfe-net.ch - 25.04.2024, 13:18
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Sechs Fallstricke für die Behandelnden

 
Vorsicht
Gerade bei Patienten mit psychosomatischen Leiden sind Ärzte und Therapeuten nicht gefeit vor falschen Deutungen und Verhaltensweisen. Dem gilt es entgegenzuwirken.

1. Somatisierung
Emotionale Aspekte werden ausgeblendet, die behandelnden Personen analysieren und therapieren nur auf der körperlichen Ebene.

Ratsam wäre stattdessen:

  • auf der körperlichen Ebene arbeiten
  • über die Körpersprache kommunizieren
  • Vertrauen aufbauen
  • Halt geben
  • Angst eingrenzen
  • punktuell Emotionen ansprechen
  • unnötige Abklärungen vermeiden

2. Psychologisierung
„Alles nur psychisch", heisst die Schnelldiagnose. Tatsächlich vorhandene körperliche Krankheiten werden übersehen oder nicht ernst genommen.

Dagegen hilft nur:

  • Kenntnis der körperlichen und psychiatrischen Symptome
  • Vorsicht mit vorschnellen und einseitigen psychologischen Deutungen und scheinbaren Zusammenhängen
  • anerkennen, dass wir nur immer einen Teil der Realität erfassen können

3. Somatopsychische Aspekte
Anders gesagt: Wenn mein Körper umkippt, dann kippt auch meine Seele um.

Wenn unser Körper schmerzt, das Immunsystem schlecht arbeitet, Hormone und Botenstoffe in falschem Mass produziert werden, wenn sich die Muskeln verkrampfen oder der Darm Beschwerden bereitet - dann hat das alles einen Einfluss auf unser Wohlbefinden.

4. Spiritualisierung
Die körperlichen und seelischen Symptome werden spirituell oder religiös gedeutet; aus der gleichen Richtung verspricht man sich dann auch die Abhilfe, zum Beispiel durch Freibeten oder Geistheilung. Der Betroffene übernimmt meist eine passive Rolle und wird zum Objekt der Behandlung. Selten tritt eine langfristige Besserung ein.

Demgegenüber gilt es anzuerkennen:
Auch der gläubige Mensch bleibt von Schwachheit und körperlichen Symptomen nicht verschont. Sie sind nicht Zeichen eines geistlichen Mangels, sondern Teil des menschlichen Daseins.

5. Gegenübertragung
Die Klagen und Beschwerden eines Patienten können bestimmte Reaktionen bei Angehörigen, Helfenden und Ärzten auslösen. Sie fühlen sich hilflos, werden ärgerlich oder lustlos. Das wirkt auf die Patienten zurück: Man erlebt sie zunehmend als schwierig, passiv-aggressiv und fordernd. Diese wiederum spüren die Ablehnung durch die Umwelt.

Legen Sie sich also immer wieder Rechenschaft ab über Ihre eigene emotionale Reaktion; sprechen Sie ihn je nachdem auf problematisches Verhalten an und versuchen Sie, wieder eine gewisse innere Distanz zu gewinnen.

Schritte aus dieser emotionalen Falle wären:

  • die eigentliche Not des Patienten erkennen
  • die Beziehung zu ihm aufrechterhalten
  • den Weg mit der leidenden Person mitgehen, ohne sich zu sehr «anstecken» zu lassen
  • auch selber eine Supervision (auch für Seelsorger) in Anspruch nehmen

6. Machbarkeit
Ärzte und Therapeuten haben oft zu hohe Ideale, die allerdings auch durch die Erwartungen der Patienten und ihrer Angehörigen geschürt werden. Eine vollständige Heilung ist aber bei psychosomatischen Patienten meist nicht möglich. Vielmehr geht es darum, dass sie mit ihren Symptomen oder Problemen besser umgehen lernen.

Die behandelnden Personen ihrerseits müssen sich von dem Anspruch lösen, vollständig heilen zu können. Ihr wichtigstes Ziel muss vielmehr die Beziehung zum Patienten sein. Der Weg führt von einer arztzentrierten zu einer patientenzentrierten Medizin.

Autoren: Dr. med. Samuel Pfeifer, René Hefti


Quelle: seminare-ps.net

 
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