lebenshilfe-net.ch - 28.03.2024, 16:00
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Richtige Sekten – gibt es das noch?

 
Richtige Sekten,gibt es das noch?
Der Begriff Sekte hat sich grundlegend gewandelt. Wurde er früher von christlichen Glauben her definiert, interpretiert ihn heute der Zeitgeist nach dem Maßstab der Freiheit.

Sekte - darunter verstand man bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine besondere Gruppierung mit christlichem Hintergrund. Sie verabsolutierte einen Teilbereich der biblischen Lehre, blendet andere Bereiche aus oder fügte ihr eigene Lehren und Offenbarungen hinzu.

Damit hat sie „die biblische Wahrheit verfälscht" und sich selber von anderen christlichen Gemeinschafte getrennt. Ausserdem leugnete sie, dass andere Gruppen und die traditionellen Kirchen Wege zum Heil sein könnten. Diese Bestimmung von „Sekte" entspricht auch dem Wort-Hintergrund. Das Wort stammt vom lateinischen „secare" - „abschneiden, abtrennen."

Dieses Selbstverständnis und dieser Sektenbegriff lebten von der Überzeugung, dass es eine absolute Wahrheit gibt, eine unverfälschte Offenbarung Gottes, an der man entweder teil hat oder nicht. Sekten beanspruchten, alleingültiger Zugang zur Offenbarung zu sein, und versuchten deshalb, Mitglieder anderer Kirchen für ihre eigene Organisation zu gewinnen. Beispiele dafür sind die Zeugen Jehovas, die Neuapostolische Kirche und die Mormonen.

Jugendreligionen und -bewegungen
Besonders in den 70er-Jahren kamen dann Bewegungen und Gruppen auf, die von ausserchristlichem, vor allem fernöstlichem Gedankengut lebten und aktiv Mitglieder warben, auch bisherige Kirchenmitglieder. Sie waren aber nicht Sekten im bisherigen Sinne. Sie interpretierten die Bibel entweder völlig neu oder hatten überhaupt nichts mit ihr zu tun. Damals entstand der Begriff Jugendreligionen, weil sie vor allem Jugendliche gewinnen konnten.

Im Geist des zunehmenden Relativismus und Pluralismus entstanden jetzt dauernd neue religiöse Bewegungen, die nicht mehr nur Jugendliche erfassten. So musste eine neue Bezeichnung gefunden werden. Die „Sektenbeauftragten" der Landeskirchen prägten daher die Begriffe „religiöse Sondergruppen" und „neue religiösen Bewegungen".

Der Begriff „sektiererisch" wurde nun zwar weiterverwendet, aber anders gefüllt: nicht mehr im Sinne von „abweichend zur allgemeinen christlichen Lehre", sondern von „vereinnahmend gegenüber ihren Mitgliedern". Man registrierte, ob sie ihre Mitglieder psychisch an sich binden oder auch Praktiken fördern, die selbst einer libertären Gesellschaft zu weit gehen. Die «Kinder Gottes» beispielsweise setzten anfangs gezielt die weibliche Sexualität ein, um neue Mitglieder zu gewinnen.

Autonomie statt Wahrheit
In den 80er- und 90er-Jahren waren es also immer weniger bestimmte lehrmäßige Inhalte, die eine Gruppe als „sektiererisch" erschienen ließen, sondern menschliche Umgangsweisen, wenn also die Autonomie ihrer Mitglieder beschnitten wurde. Sobald ein gewisser Gruppendruck spürbar wurde, erhielt eine religiöse Gemeinschaft das Etikett „sektiererisch", ob sie nun einen christlichen, therapeutischen oder fernöstlichen Hintergrund hatte.

Besonders neue christliche Gruppierungen gelten schnell als angeblich sektiererisch, nur weil bei Beratungsstellen wie der Zürcher «Infosecta» öfters Anfragen über sie eingingen. Heute muss sich zum Beispiel die International Christian Fellowship (ICF) öfters gegen den Vorwurf wehren, „sektiererische Züge" zu tragen - weil sie ein starkes Gruppenerlebnis bietet und bei ihrer Verkündigung an Tabus wie Homosexualität und vorehelichem Geschlechtsverkehr rüttelt.

Wahrheit ist relativ
Das moderne Sektenverständnis hat also sehr viel mit der allgemeinen Werteverschiebung zu tun. Wer an alten Werten festhält, die von der Gesellschaft gemeinhin aufgegeben worden sind, gerät leicht in Sektenverdacht. Wer sich an aktuell Mehrheitsfähiges hält, ist darüber erhaben.

Bearbeitung: Lebenshilfe-net.ch,Lothar Mack

Autor: Fritz Imhof

 
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