lebenshilfe-net.ch - 20.04.2024, 14:43
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Scientology

 
Scientology
Die psychoreligiöse „Scientology-Kirche" kommt immer wieder vor allem wegen ihrer hohen Gebühren und ihrem Umgang mit Gegnern ins Gerede. Es braucht allerdings Mut, sich mit ihr anzulegen. Sie kann Gegnern ein unbequemes Leben bereiten.


Entstehung und Entwicklung
Scientology (deutsch: die Lehre vom Wissen) ist eine Organisation, deren Einschätzung von Land zu Land variiert. In Deutschland wird sie als kommerziell orientierte Organisation, also als reines Wirtschaftsunternehmen unter dem Deckmantel einer Religion, gesehen. Das deutsche Bundesarbeitsgericht hat am 22. März 1995 festgestellt, dass Scientology der Status einer Religionsgemeinschaft nicht zukommt. In Ländern wie den USA, England, Italien oder Spanien hat Scientology von Gerichten den Status einer religiösen und gemeinnützigen, von Steuern befreiten Organisation zuerkannt bekommen. In der Schweiz erhalten ihre „Geistlichen" Dispens vom Militärdienst wie die Pfarrer der Landeskirchen und die Pastoren der Freikirchen. Alle grossen christlichen Kirchen sowie viele nichtkonfessionelle Beratungsstellen für Sektenmitglieder und -aussteiger stufen Scientology als Sekte ein.

Scientology wurde in den 1950ern in den USA von L. Ron Hubbard gegründet. Nach dessen Tod übernahm David Miscavige den Vorsitz. Anfang der 70er Jahre begann ihre Tätigkeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im deutschsprachigen Raum gibt es „Kirchen" (Deutschland 8, Schweiz 5, Österreich 2) und „Missionen". Laut unabhängigen Publikationen wird die Mitgliederzahl weltweit auf ca. 150.000 geschätzt. Scientology selbst spricht von über 8 Millionen Anhängern, in der Schweiz von „einigen Tausend".

Organisation
Die Organisation von Scientology ist streng hierarchisch, an der Spitze das Internationale Management in Los Angeles, darunter kontinentale Organisationen (für den deutschen Sprachraum in Kopenhagen), darunter die lokalen Kirchen.

Ende 1966 kaufte die Hubbard Exploration Company mehrere Schiffe und L. Ron Hubbard verlegte sein Hauptquartier auf die offene See, wo der Name „Sea Organisation" (kurz: Sea Org) geprägt wurde. In den siebziger Jahren wurde das Hauptquartier nach Clearwater im US-Bundesstaat Florida verlegt, der Name Sea Org ist bis heute geblieben und bezeichnet die mehreren tausend Mitglieder. Alle Mitglieder haben einen Vertrag über eine Milliarde Jahre unterzeichnet und sind einer strengen Disziplin unterworfen. Die höheren Managementebenen von kontinentalen Organisationen aufwärts sind ebenso wie die fortgeschrittenen Organisationen ausschliesslich mit Sea Org Mitgliedern besetzt.

Die Leistung einer jeden Organisation wird in wöchentlichen Statistiken gemessen, die Statistiken jeder höheren Organisation bestehen aus der Summe der Statistiken der unterstellten Organisationen, was auf allen Ebenen zu einem sehr hohen Leistungsdruck für die Mitarbeiter führt.

 
L.Ron Hubbard
L.Ron Hubbard
Lehre

Laut der von dem ehemaligen Science-Fiction-Autor Lafayette Ronald Hubbard verfassten grundlegenden Lehre von Scientology besteht das physikalische Universum aus MEST, was als Abkürzung für Matter, Energy, Space und Time steht. Ein lebendiger Organismus setzt sich demnach aus Materie, Energie, Raum und Zeit zusammen und ist vom Thetan belebt. Theta ist griechisch und bedeutet Geist oder Gedanke, und die mathematische Variable soll Symbol für die Unendlichkeit sein. Noch wichtiger ist aber, dass der Thetan - und somit jeder Mensch - unsterblich ist, jedoch durch vieles negativ beeinflusst und in seiner Entfaltung gebremst wird. Der Mensch setzt sich laut Scientology aus drei Teilen zusammen:

  • Thetan (unvergänglicher Geist)
  • Mind (Verstand; Scientology-Terminus: Servo-Mechanismus)
  • Body (vergänglicher Körper)

Der Mind setzt sich nach Hubbard aus dem analytischen und dem reaktiven Teil zusammen. Der reaktive Teil ist unbewusst und wird aufgrund dessen als schädlich erachtet. Er kann durch Auditing beeinflusst werden.

Hubbards Buch „Dianetics - the modern science of mental health" („Dianetik - die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit") beschreibt die Theorie und Praxis von Dianetik, der bis heute praktizierten Grundlage von Scientology, die sich speziell mit den negativen Einflüssen auf den menschlichen Geist befasst.

Praxis
Zu Beginn ist man bei Scientology ein so genannter Pre-Clear und kann, durch körperliche und geistige Reinigung, letztendlich das Ziel erreichen, ein sogenannter Clear zu werden. In diesem anzustrebenden Zustand ist laut Scientology der Mensch von seinem eigenen reaktiven Verstand befreit und vollzieht somit nicht mehr Dinge, „die man gar nicht tun wollte".

Nachdem ein Mitglied den Zustand Clear erreicht hat, geht es weiter auf der Brücke zur völligen Freiheit zu den acht Operating-Thetan-Stufen (kurz: OT-Stufen), auf das Ziel des frei operierenden Thetans zu, der nach der Scientology-Lehre nicht mehr an MEST gebunden ist - also nicht mehr an Materie, Energie, Raum und Zeit - und durch seine Fähigkeiten alle Probleme (mit Menschen und Dingen) überwinden können soll. Diese Stufe wurde jedoch bis heute von niemandem nachweislich erreicht.

Scientology-Feiertage sind der 13. März (Geburtstag von L. Ron Hubbard), 9. Mai (Jahrestag der Herausgabe von Dianetik), 12. September (Tag des Auditors) und 7. Oktober (Jahrestag der Gründung der internationalen Vereinigung von Scientologen).

Die Tätigkeit von Anhängern der Scientology besteht hauptsächlich darin, das Auditing durchzuführen und weitere Anhänger zu Auditoren auszubilden.

Beides wird zu fixen Preisen pro Kurs oder pro Stunde verkauft, wobei Anfängerkurse weniger, fortgeschrittene Stufen sehr viel Geld kosten. Ein mehrwöchiges „Reinigungsprogramm" mit Vitaminen und Saunagängen kostet ca. 3000 EUR und ein Auditing-Paket für 12½ Stunden kann in den höheren Organisationen schon mal 5000 EUR oder mehr kosten. Das Erreichen der Stufe „Clear" entspricht im Preis leicht dem Gegenwert eines Mittelklassewagens und die OT-Stufen dem eines Einfamilienhauses.

Von Anfang an wird erwartet, dass ein Mitglied seine Zeit intensiv für Scientology einsetzt (Richtmass für einen Kursbesuch sind 12½ Stunden pro Woche für Berufstätige). Das führt dazu, dass neue Scientologen schon sehr bald kaum mehr Zeit für anderes haben und den Kontakt zu Freunden und Kollegen ausserhalb von Scientology rasch verlieren. Dies ist ein übliches Vorgehen von Sekten, um Menschen in direkte Abhängigkeit zur Gruppe zu bringen.

Zur Mitgliederwerbung bieten Scientologen häufig in Fussgängerzonen einen kostenlosen Persönlichkeitstest, den OCA-Test oder auch „Oxford Kapazitätsanalyse" an. Dieser Test umfasst 200 Fragen, welche nach Auswertung individuelle Schwächen und mögliche Probleme aufzeigen. Seine Auswertung dient als Grundlage für weitere Angebote.

Besonderes

Weitere zugehörige Organisationen
Neben den Scientology-Organisationen gibt es auch weitere Gruppen (von Gegnern als Tarnorganisationen bezeichnet), die die Scientology-Technologie anwenden und mehrheitlich aus Scientologen bestehen, jedoch nicht Teil der Scientology-Organisation selbst sind. Dazu gehören:

  • ZIEL (Zentrum für individuelles und effektives Lernen): richtet Scientology-Schulen ein (Schweiz) und gibt Nachhilfestunden in Study Tech, der speziellen Scientology-Studiertechnologie.
  • Narconon: führt Drogenrehabilitationszentren. Die Erfolgsstatistiken von Quellen innerhalb und ausserhalb von Scientology sind extrem unterschiedlich.
  • Criminon: soll Kriminellen bei der Resozialisierung helfen. Funktionäre von Criminon besuchen auch Gefängnisse.
  • KVPM (Kommission für Menschenrechte in der Psychiatrie), englisch CCHR: bekämpft die Psychiatrie, die von Scientology als Erzfeind betrachtet wird.
  • WISE (World Institute of Scientology Enterprises): Vereinigung von Scientology-Unternehmern, befasst sich besonders mit Management-Beratungen.

Scientologen als Künstler
Eine besonders beliebte Zielgruppe stellen Schauspieler und andere Personen des öffentlichen Lebens dar, die quasi als Repräsentanten der Organisation fungieren. Beispiele, zumeist aus den Scientology-freundlichen USA, sind der Schauspieler Tom Cruise, die Schauspielerin Priscilla Presley, die Sängerin Lisa Marie Presley und der Schauspieler John Travolta. Auch im deutschsprachigen Raum soll es Prominente geben, die der Organisation nahe stehen oder ihr angehören. Sie bekennen sich jedoch nicht öffentlich dazu. Scientology betreibt für prominente Mitglieder mit grossem Aufwand sogenannte „Celebrity Center". Diese Vorzugsbehandlung gilt allgemein als einer der Gründe dafür, warum diese Mitglieder der Organisation sehr positiv gegenüberstehen.

Bewertung
Scientology ist aus biblischer Sicht schwierig zu beurteilen, da ihre Lehre keinen Zusammenhang zur Heiligen Schrift aufweist. Anklänge an das Christentum können allenfalls in der Vorstellung eines unsterblichen Geistes gesehen werden. Ebenso im Streben nach völliger Freiheit (biblisch: Heiligung). Diese vom Gründer Ron L. Hubbard geprägten Vorstellungen sind jedoch meilenweit vom biblischen Menschenbild entfernt. Es ist deshalb nicht möglich, gleichzeitig aktives Mitglied einer christlichen Gemeinde und aktiv bei Scientology zu sein.

Scientology müht sich vielmehr, selbst als „Kirche" anerkannt zu werden. Dafür werden religiöse Riten angeboten und „Priester" ausgebildet. Kritiker werfen Scientology allerdings vor, lediglich zum Zweck der Steuerbefreiung als Kirche anerkannt werden zu wollen. Gründer Hubbard geniesst allerdings durchaus religiöse Verehrung, was Scientology einen religiösen Touch vermittelt.

Was Scientology in den Augen der Anhänger stark macht, ist die Förderung des eigenen Selbstwertes, der Selbstsicherheit und der Hoffnung auf Vervollkommnung. Dazu ist allerdings ein hoher Einsatz nötig, und die von der Organisation verlangten Kosten sind immens. Nach zahlreichen unabhängigen Berichten haben sich bei Scientology Leute hoch verschuldet. Gegen die Glaubwürdigkeit spricht auch, dass Gegner, zum Beispiel kritische ehemalige Mitglieder und Verfasser kritischer Medienprodukte scharf verfolgt werden. Kritiker sollen mit allen Mitteln mundtot gemacht werden. Die dabei angewandten Methoden haben mit Ethik nicht viel zu tun und mit ehrlicher Auseinandersetzung schon gar nichts. Scientologen scheinen unter einem hohen Druck zu stehen, unter allen Umständen Recht zu haben und Recht zu bekommen. Im Gegensatz dazu sind Christen gerufen, auch Unrecht leiden zu können. Gerade darin aber sehen die Scientologen Schwäche.

Literatur
Eberhard Kleinmann: Psychokonzern Scientology. Geschichte - Organisation - Verbreitung. Bietigheim 2004, ISBN 3-93184-307-6

Küfner et al.: Gesundheitliche und rechtliche Risiken bei Scientology, Pabst-Verlag, 2002, ISBN 3-936142-40-8

Raik Werner: Scientology im Spiegel des Rechts. Strukturen einer Subkulturellen Ordnung zwischen Konformität und Konflikt mit den staatlichen Normen, „Neue kriminologische Studien" Band 24, Wilhelm-Fink-Verlag München, ISBN 3-7705-3781-5

Offizielle Scientology Websites
Scientology Deutschland
Scientology Schweiz

Kritische Websites
Ingo Heinemann: Scientology-Kritik
Die rabiate Reinigungsfirma: Scientology
Relinfo: Hubbardismus
Operation Clambake

Eine Stellungnahme von Scientology
durch Jürg Stettler, Direktor von Scientology Schweiz
 
1)In Deutschland gab es in den letzten Jahren zahlreiche Urteile, die Scientology den idealistischen Status zusprachen. Auch das Arbeitsgerichtsurteil von 1995 ist inzwischen überholt, und neuere Urteile haben anders entschieden. Beweise unten.

2) Bei der Sea Org handelt es sich um eine Bruderschaft. Mitarbeiter der höheren Organisationen leben in der Sea Org, so zum Beispiel in Kopenhagen, in der Nähe von London oder in Los Angeles. Die Mitarbeiter der lokalen Kirchen oder Missionen sowie die einfachen Mitglieder gehören nicht der Sea Org an.

3) Die Scientology-Kirche ist nicht konfessionell gebunden, das heißt, es können auch Christen Mitglieder sein. Gemäss der grundlegenden These, gemäss der man sich mit Scientology befassen sollte („nichts ist wahr, was Du nicht selbst beobachtet hast") ist es sehr wohl möglich, Christ und Scientologe zu sein.

4) Sachliche Kritik wird innerhalb Scientology sehr wohl geschätzt und so hat auch in den letzten Jahren ein vermehrter Dialog mit Kritikern stattgefunden. So waren zum Beispiel im Jahr 2004 fünf Schweizer „Sektenpfarrer" (der Landeskirchen) einen ganzen Tag in den Scientology-Kirchen in Los Angeles, um sich ein eigenes Bild machen zu können.


Quellen: Wikipedia, Scientology

Bearbeitung: Lebenshilfe-net.ch, Fritz Imhof



 
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