lebenshilfe-net.ch - 19.04.2024, 15:45
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Suizid: Angehörige finden in Selbsthilfegruppen wieder Halt

 
Suizid
Mit der Selbsttötung eines Familienmitglieds sind in der Schweiz jedes Jahr rund 8000 Menschen konfrontiert. Anlässlich des «Welt-Präventionstages» vom 10. September machen zwei Zürcher Selbsthilfegruppen auf das Tabuthema Selbstmord aufmerksam.

Die Vereine «Nebelmeer» und «Refugium» sind Selbsthilfegruppen, in denen sich so genannte „Survivors" austauschen können; Menschen, die einen nahen Angehörigen durch Suizid verloren haben. Laut Experte Ruedi Zollinger haben betroffene Angehörige einen schweren Stand. „Hinterbliebenen nach Suizid wird tendenziell mit wenig Sympathie, wenig Verständnis oder mit Vorwürfen begegnet", sagte Zollinger in Zürich.

Die beiden politisch und konfessionell neutralen Selbsthilfegruppen wollen mit dem Gang an die Öffentlichkeit die nicht direkt betroffenen Menschen für das Thema Suizid sensibilisieren. Statt jenen Angehörigen aus dem Weg zu gehen und sie mit ihren Sorgen allein zu lassen, sollten sie „mit gesundem Menschenverstand" handeln und das Gespräch mit ihren betroffenen Freunden und Bekannten suchen. Die beiden Vereine wollen auch den Mythos widerlegen, dass Selbstmord in guten Familien nicht vorkomme.

Verarbeiten durch Gespräche
In den Selbsthilfegruppen kommen Menschen mit den verschiedensten Lebensgeschichten zusammen, die alle einen nahen Angehörigen durch Suizid verloren haben. Sie erzählen einander von ihren Sorgen und Schuldgefühlen und verarbeiten so ihre Erlebnisse. Bei der 1998 gegründeten Gruppe «Refugium» treffen sich Menschen, deren Partner freiwillig aus dem Leben geschieden sind. Für ein Jahr wird eine geschlossene Gemeinschaft gebildet, deren Teilnehmer sich zweimal pro Monat treffen.

Anfangs erzählt jeder einzelne seine persönliche Geschichte in der Gruppe. Wie schwierig dies ist, weiss Manuela Frei aus eigener Erfahrung zu berichten: „Ich befand mich zum Zeitpunkt des Todes meines Mannes in einem tranceähnlichen Zustand und hatte einen Filmriss, der sich bis zur Beerdigung hinzog." Erst beim Erzählen vor der Gruppe kamen die Erinnerungen an ihren verstorbenen Gatten zurück.

 
Suizid
Zweifel und Schuldgefühl

Doch wie die Vereinsmitglieder den Medienvertretern erklärten, braucht es viel Mut, um der Selbsthilfegruppe überhaupt beizutreten. Viele Betroffene verdrängen nämlich den Tod ihres Partners, Kindes oder Elternteils. Nach aussen bewältigen sie ihren Alltag wie gewohnt, aber innerlich nagen die Fragen und Zweifel. „Wie hätte sich das Unglück verhindern lassen? Welche Schuld trage ich? Warum hat sich der Angehörige das Leben genommen?"

Antworten auf solche Fragen findet, wer das Gespräch mit Fachleuten und Betroffenen sucht. Die ständige Konfrontation mit der eigenen Geschichte erweist sich als mühsam, aber erst so wird der Anschluss an den Alltag wieder möglich. Dies bestätigt die Betroffene Manuela Frei: „In der geschlossenen Gruppe habe ich wunderbare Menschen kennen gelernt, dank deren Hilfe ich aus meinem Tief wieder herausfand."

Zu wenig Prävention in der Schweiz
Gemäss einem Bericht des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) nehmen sich in der Schweiz jedes Jahr zwischen 1300 und 1400 Personen das Leben. Im internationalen Vergleich weist die Schweiz eine hohe Suizidrate auf. Ursachen dieser Entwicklung sieht der 2005 erschienene Bericht des BAG in fehlenden Präventionseinrichtungen. Projekte, die sich aktiv bemühen, Selbstmorde zu verhindern, gäbe es in der Schweiz nur vereinzelt, die meisten davon in der Romandie. Der Bericht fordert auch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den bereits bestehenden Organisationen.


Zum Thema
Die Webseiten der Vereine «Nebelmeer» und «Refugium»


Bearbeitung: Lebenshilfe-net.ch


Quelle: Kipa

 
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