Mensch, ärgere dich ...

 
schreien
Wer lernt konstruktiv mit seiner Wut umzugehen, braucht nicht gleich loszuschreien.
Kaum eine menschliche Regung hat ein so schlechtes Image wie Ärger, Wut oder Zorn. Letztere gehört nach katholischer Lehre sogar zu den "sieben Todsünden". Abgewöhnen und wegerziehen lassen sie sich alle nicht. – Aber man kann lernen, sinnvoll mit ihnen umzugehen.

Ärger gehört zu den Grundemotionen des Menschen, genauso wie Angst, Freude, Liebe, Hass, Neid, Ekel, Scham und Trauer. Doch leider unterscheiden die meisten seit frühester Kindheit zwischen "positiven" und "negativen Gefühlen". Schon ein Säugling merkt bald, welche seiner Gefühlsäusserungen "erwünscht" sind und welche nicht.


Ärger und seine Funktion
Jedes Gefühl gehört zum Leben und hat seine Berechtigung: Die Angst kann einen vor Gefahren schützen, Neid die eigenen Defizite aufzeigen und einen anspornen und Trauer zu einem berechtigten Rückzug motivieren, in dem man Kraft sammeln und einen Verlust oder Schmerz verarbeiten kann. Und der Ärger? Der zeigt Ärger an, dass uns irgend etwas irritiert und verletzt hat. Bedürfnisse oder Wünsche wurden übergangen, eine Grenze wurde überschritten. Die Auslöser sind ganz verschieden: andere Menschen, eine bestimmte Situation, eine Institution und man selbst. Wie alle Emotionen wird auch der Ärger ganzheitlich erlebt. Der Körper schüttet bestimmte Hormone aus, unsere Gedanken kreisen um die betreffende Sache, und unser Verhalten wird eine Zeitlang von ihr bestimmt.


Erst Ärger, dann Zorn und Groll
Wer dieses Signal nicht rechtzeitig wahrnimmt oder es unterdrückt, dem kann es sich schnell bis zu einem Zorn steigern. Mit so einer "Wut im Bauch" können manche noch Hilfsorganisationen gründen, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen einsetzen. Aber nicht selten ist die Phase schnell vorbei, in der man noch konstruktiv handeln kann. Danach tauchen verschiedene Reaktionen auf:

- Explosion – mit verbalem "Kugelhagel" und seelischen oder auch körperlichen (Selbst-)Verletzungen wie z.B. einem Herzinfarkt

- somatischen Reaktionen – wie Kopf- oder Magenschmerzen, Rückenprobleme

- psychischen Störungen – wie Depression, Ängste und Zwänge

- indirekte Reaktionen – wie Liebesentzug, Schweigen, Trotz, Drogenkonsum

Denn unverdauter Ärger lagert sich tief im Innern eines Menschen in Form von Groll ab, sich einem buchstäblich auf den Magen legt. Besser also, man lässt es gar nicht erst so weit kommen.

Umgang mit Ärger
Die Bibel redet offen über Ärger und Zorn. Jesus erklärt in der Bergpredigt den Zorn gar zu einer Vorstufe des Mords, die nach entsprechender Bestrafung ruft (Matthäus 5,22 ff). "Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig ...". Eine Stufe früher setzt darum die Warnung des Paulus an. Im Epheserbrief, Kapitel 4, Vers 26ff, schreibt er: "Zürnt ihr, so sündigt nicht ...". Das Zürnen selber gilt offenbar als ganz menschliche Reaktion und ist als solches Gefühl nicht gleich Sünde. Es kann aber dazu werden. Umgekehrt gibt es sogar einen "Heiligen Zorn" – nämlich gegen Sünde und Unrecht.

Paulus mahnt aber dazu, sich seinen Gefühlen nicht einfach haltlos und selbstsüchtig hinzugeben. Das allerdings wäre dann Sünde. Sondern er rät dazu, die Sonne über dem Zorn "nicht untergehen" zu lassen. Wenn möglich noch am selben Tag soll die Sache also bereinigt werden, damit der Konflikt nicht immer wieder losbrechen kann. Besonders übel ist es, wenn der Schmerz, die Erinnerung an den Ärger, geradezu kultiviert wird, damit er auch ja nicht vergessen geht. Die Phantasie driftet also in Rache- und Vergeltungsideen ab, statt dass sie zu konstruktiver Abhilfe beitragen würde.

Versöhnung und Vergebung sind die ersten Schritte und unbedingt nötig, damit man wieder den Rücken und die Seele freibekommt. Übrig bleiben aber oft innere Verletzungen und die latente Gefahr, das nächste Mal in genau dieselbe Falle, das gleiche Reaktionsmuster, zu tappen. Wie also weiter?

Oft hilft schon ein wenig Abstand. Nach einem Spaziergang oder einer kurzen Entspannung schaut das Ganze manchmal schon wieder anders aus. Anderer Ärger hat viel mit früheren Ereignissen zu tun. Wenn man den alten Auslöser kennt, kann man ihn auch gezielt angehen, und der Ärger selber muss nicht ständig von neuem losgehen. Man spart auf diese Weise sehr viel Kraft. Wie ist meine Lern- und Glaubensgeschichte abgelaufen? Mit welchen Verstärkern (Lob oder Tadel, Zuneigung oder Ablehnung) bin ich aufgewachsen? Welche Gefühle waren in meiner Familie erlaubt oder verpönt? Die Antworten darauf helfen einem, dem gegenwärtigen Ärger auf die Schliche zu kommen und ihn zu entwurzeln.

Zusammenfassung
Ärger und Wut sind keine an sich "negativen" Gefühle, die wegtrainiert oder "bewältigt" werden müssten. Sie liefern einem vielmehr unangenehme, aber höchst wertvolle Hinweise auf Probleme im Hintergrund. Wer also seinen Ärger deuten kann, spart Kraft; Kraft, die dann für die eigentlichen Auslöser zur Verfügung steht. Das sogenannte "Ausleben der Gefühle" schadet hingegen nicht nur der Gesundheit, sondern lenkt auch von diesen Hintergründen ab.

Gekürzt und redigiert: Livenet

Autorin: Lore Haug, Lebens- und Sozialberaterin
Quelle: BTS, www.bts-ips.de



Datum: 21.08.2004

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