Komm heraus aus deiner Ecke!

Gemeinsam statt einsam: Wie Sie die Einsamkeit bewältigen können.

Eine Freundin sagte kürzlich zu mir: „Wenn es eine Insel der Einsamen gäbe, dann wäre das die grösste Insel der Welt.“ Dieser Satz ist mir hängen geblieben. Eine erschreckende Bilanz. Einsamkeitsinsel?

Die gibt es tatsächlich. Ein gewisser Herr Johannesen hat sie 1878 entdeckt. Sie liegt im karibischen Meer (Südwesten Kleinasiens). Und weil diese Felseninsel im Nordpolarmeer nur rund 20 Quadratmeter gross ist (im Gegensatz zu der zuvor zitierten Aussage), ist sie auch nicht in jedem Atlas verzeichnet. Das hat aber auch etwas Symbolisches. Dass sie so schwer zu finden ist, scheint sie mit menschlichen „Einsamkeitsinseln“ gemein zu haben. Denn die sind auch oft so gut versteckt, dass sie kaum entdeckt werden.

Ist das Leben?
Einsamkeit hat viele Gesichter. Da ist zum Beispiel Herr S., der sich darüber freut, dass er eine eigene Wohnung hat und auch mit seinen 70 Jahren noch gut den Haushalt im Griff hat. „Wenn nur die Einsamkeit nicht wäre…“, erzählt er mir. Seit seine Frau gestorben ist, weiss er nichts mehr mit sich anzufangen. Der Fernseher ist sein ständiger Begleiter. Alexandra ist um die vierzig. Nicht verheiratet. Beruflich gut situiert. Sie hat eine schöne Wohnung und beherzte Freunde, auf die man sich verlassen kann. Und doch sagt sie: „Im Grunde meines Herzens, tief in mir drin, da tut etwas ganz fürchterlich weh. Es ist so eine Einsamkeit in der Tiefe meines Seins verbunden mit der Frage: ‚Ist das das Leben?’“

Einsamkeit hat viele Ursachen
Neben zahlreichen gesellschaftlichen Gründen sind es häufig auch individuelle Gründe, die Menschen einsam machen. Es gilt: So unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich können die Auslöser ihrer Einsamkeit sein. Den einen treiben überhöhte Ansprüche der Gesellschaft in die Isolation, den anderen seine Selbstzweifel oder auch Umbruchphasen wie Trennungen oder Tod eines geliebten Menschen, die nicht kreativ verarbeitet werden.

 
Sechs Frauen

Selbstverschuldete Einsamkeit
Wichtig aber ist, dass man erkennt: Es gibt auch eine selbstver­schuldete Einsamkeit. Eine Aufgabe ist uns immer gestellt: Die harte Arbeit am eigenen Charakter. Um gemeinschaftsfähig und bindungsfähig zu sein, bedarf es immer wieder vieler Korrekturen, vieler Änderungen, neuer Einsichten und veränderter Ansichten. Wer stur und steif immer nur das Seine durchsetzen möchte, wird bald sehr einsam sein.

Formen der Einsamkeit
Vorübergehende und situationsbedingte Einsamkeit kennt jeder, und meist wird sie auch schnell überwunden. Gefährlich und ungesund wird Einsamkeit dann, wenn sie chronisch wird. Davon ist zu sprechen, wenn ein Mensch über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren unter diesem Phänomen leidet. Chronisch einsame Menschen neigen oftmals zu der Überzeugung, dass sie an ihrem Zustand nichts mehr ändern können und fügen sich resignierend ihrem Schicksal. An dieser Form der Einsamkeit ist der Betroffene selbst beteiligt – und darum auch mitverantwortlich.

Wege aus der Einsamkeit
Gibt es Möglichkeiten, die Einsamkeit zu vertreiben? Es gibt viele Möglichkeiten. Folgende Schritte können dabei helfen:

1. Hinwendung zur Einsamkeit: Das klingt zunächst eigenartig, bedeutet aber erst einmal nichts anderes als eine Bestandsaufnahme: Wie sie meine Situation im Moment aus? Wie sehen meine bisherigen Bewältigungsversuche aus, aus dem Loch der Einsamkeit herauszukommen?

2. Abwendung von der Einsamkeit: Das ist ein wichtiger Punkt. Will ich eigentlich herunter von meiner einsamen Insel? Oder hab ich es mir dort schon zu gut eingerichtet?

3. Beziehung zur eigenen Person: Wer glaubt, er sei ganz allein an seiner Einsamkeit Schuld, gerät in einen zerfleischenden Kreislauf. Auf der anderen Seite sollte man mutig, selbstkritisch und ehrlich einmal sein eigenes Verhalten anderen Menschen gegenüber hinterfragen: Wo ecke ich an? Warum funktionieren meine Beziehungen nicht? Das kann schmerzhaft sein, aber auch sehr befreiend.

4. Die Angst vor Neuem verlieren: Herauszukommen aus der Einsamkeitshöhle, die man doch ach so gut kennt, plötzlich Neuland zu betreten, sich ungewohnten Situationen und Menschen anvertrauen und ausliefern – das sind längst verlernte Schritte eines einsamen Menschen. Um aus dem Vermeidungsverhalten herauszukommen, braucht man zumindest erst einmal einen Menschen, der sozusagen beim Training hilft, sich zu öffnen und Konflikte nicht aus dem Wege zu gehen.

5. Schritte wagen im Vertrauen: Schritte auf andere Menschen hin zu wagen, ist nicht leicht. Aber unmöglich ist es auch nicht. Das müssen vielleicht zu Anfang nur ganz kleine Schritte sein: Jemanden besuchen, sich fürs Kino verabreden, …

Autor:  Ulrike Schild
Quelle: NEUES LEBEN. Das Christliche Ratgeber-Magazin
Datum: 25.01.2006

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