«Gott kann mit Chaoten ganz gut umgehen»

 
Chaot?
Zu viel Chaos kann krank machen. Wie viel Chaos ist denn gesund? Wie kann man dem persönlichen Chaos Herr werden? Antworten des Seelsorgers Bernhard Kuhl.

Wer oder was ist ein «Chaot»?
Bernhard Kuhl: Laut Duden ein Mensch, der sein Leben wirr und ungeordnet lebt. Diese Formulierung lässt erahnen, dass sich Chaos nicht wirklich definieren lässt. Wann ist etwas wirr? Wann ist etwas ungeordnet? Die Beschreibung eines Chaoten ist immer abhängig von dem, der ihn beschreibt. Vielleicht macht das ja gerade den Chaoten aus: Er ist nicht festzulegen und damit auch nicht definierbar.

Gott ist ein Gott der Ordnung. Christ sein und gleichzeitig chaotisch sein – kann es das geben?
Klar. Nicht jeder Mensch ist ja in seiner Persönlichkeit gleich strukturiert. Es gibt ordnungsliebend-strukturierte Menschen und eher freiheitsliebend-chaotische. Jeder darf zuerst einmal sein, wer er ist. Ich denke, Gott kann mit seinen Chaoten im Reich Gottes ganz gut umgehen! Wenn Chaos allerdings bedeutet, dass Ordnungen rigoros abgelehnt werden, Regeln grundsätzlich missachtet werden, Werte keine Gültigkeit mehr besitzen und im Lebensplan eines Menschen keine Struktur mehr erkennbar ist, dann ist eine Grenze erreicht, die ich auch geistlich für bedenklich halte.

Kann Chaos krank machen?

Ja, zu viel Chaos kann krank machen. Wenn es im Leben eines Menschen keine Prioritäten mehr gibt, wenn die Möglichkeit abhanden kommt, Dinge verantwortlich und systematisch anzupacken, dann wirkt sich das oft auf die gesamte körperliche Verfassung aus.

Wie viel Chaos ist gesund?

Solange ich bezüglich meiner eigenen Planungen und gegenüber anderen Menschen verlässlich bin, ist ein individuelles Chaos sicherlich kein Problem. Wenn ich aber meine Termine vergesse, mein Hirn ständig überlastet ist, die Fehlerquote bei der Arbeit steigt, dann ist die Grenze des Gesunden überschritten.

Warum scheinen uns chaotische Typen oft liebenswerter als Leute, die nie aus der Reihe tanzen?

Weil sie zunächst einmal sehr unkompliziert und flexibel erscheinen. Chaoten wirken lebendig, sind oft kreativ, lebensfroh, aussenorientiert und un- terhaltsam. Deshalb sind sie für viele zunächst einmal liebenswert. Wehe aber, ich muss mich in wichtigen Lebensfragen auf sie verlassen... Dann sieht das mit der Liebenswürdigkeit schnell anders aus. Ich denke da zum Beispiel an Ehepaare, wo sich der ordnungsliebende Partner in die Überschwänglichkeit des «chaotischen» Partners verliebt hat, diese ihm aber später auf die Nerven geht, weil es an der nötigen Zuverlässigkeit fehlt.

Was kann ich tun, wenn ich das Gefühl habe, vom Chaos erdrückt zu werden?

Hier gilt es zu unterscheiden zwischen dem Chaos in mir und dem Chaos um mich. Der Chaot hat ein Chaos in sich selber. Dementsprechend wird er auch unter dem Chaos um ihn herum weniger leiden. Vom Chaos erdrückt werden eher ordnungsliebende Menschen. Diese stehen wiederum in der Gefahr, das Leben zu sehr im Griff haben zu wollen. Da empfindet man sehr schnell Dinge als chaotisch.

Können wir dem Chaos überhaupt entfliehen?

Dem äusseren Chaos oft nicht – manche Eltern verstehen, was ich meine. Wer aber innerlich nicht verwahrlosen will, der kann durchaus Rückzugstrategien entwickeln, wie er im Chaos überleben kann. Oft hilft schon die etwas realistischere Sicht von dem, was erreichbar ist. Wer seine Ziele zu hoch steckt, wird sich sein inneres Chaos selber bereiten und ist dem äussern oft hilflos ausgeliefert.

Welche Strategien gibt es gegen das Chaos?

1. Sich selber kennen lernen und die Chaos-Anteile benennen. Ich brauche einen realistischen Bezug zu meinen Gaben und Grenzen.
2. Eine kreative Zeitplanung vornehmen, Prioritäten setzen und Nein sagen lernen. Hier helfen Terminkalender oder Zeitplanbuch.
3. Zeiten der Stille – auch der Stille vor Gott –, um aus einer inneren Ruhe dem äusseren Chaos zu begegnen.

Interview: Manuel Liesenfeld


Quelle: Chrischona Magazin
Datum: 09.02.2005

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