Trotz Steuererklärung ein gutes Gewissen

 
Steuern
In diesen Tagen kommt wieder diese ungeliebte Postzustellung – die Steuererklärung. Beim Ausfüllen kommt unweigerlich das Verlangen nach Kniffs und Tricks auf. Man kann sich aber auch vom Gewissen leiten lassen.

Ist das Ausfüllen der Steuererklärung vor allem auch eine Frage des Gewissens? „Ja und nein“, sagen christliche Steuerberater. Einerseits gibt es klare Richtlinien in den Gesetzen, die eingehalten werden müssen, andererseits auch ein Spielraum, der von den Steuerbehörden bewusst in Kauf genommen wird. Deshalb wird das Ausfüllen des Steuerformulars oft auch zu einer ganz persönlichen Gewissensfrage.

Ein sorgfältiges Abwägen
Steuerberater Jörg Sägesser empfiehlt, bei der privaten Steuererklärung eine Art Gesamtbeurteilung vorzunehmen: „Bin ich vom Steuergesetz eher bevorzugt, zum Beispiel durch eine eigene Liegenschaft mit vielen möglichen Abzügen? Dann ist es vielleicht nicht mehr nötig, dass ich die nicht mit einem Beleg versehenen 100 Franken Spenden an die Strassensammlung der Heilsarmee vom letzten Jahr – oder war es schon im vorletzen? – auch noch in Abzug bringe.“ Für einen wenig verdienenden Angestellten in einer Mietwohnung wäre dieser Abzug vielleicht richtig.

„In der Steuererklärung angegebene Abzüge müssen wahr und in den meisten Fällen auch belegbar sein“, sagt auch Finanzberater Patrick Seematter. Alles andere wäre unethisch. Dennoch gibt es auch für den Fachmann aus Adelboden zahlreiche Einzelfälle, die nicht einfach mit einem „korrekt“ oder „nicht korrekt“ zu beantworten sind, besonders auch für Inhaber von kleinen Betrieben. Wann ist ein Essen Geschäftsaufwand, wann ein privates Essen? Für die Beantwortung solcher Fragen empfiehlt Seematter die Grundregel: Man soll es vor sich, vor Gott und auch vor den Steuerbehörden erklären und verantworten können.

Steuern nützen auch dem Steuerzahler
Vor allem sollten wir uns angesichts der Steuererklärung auch vor Augen führen, was wir mit den Steuern im Grunde bezahlten, sagt Sägesser: Eine Ausbildung für unsere Kinder und Jugendlichen bis zur Universität, ein Gesundheitswesen, das funktioniert. „Etwa die Hälfte der Ambulanz, die zu jeder Tages- und Nachzeit einsatzbereit ist, wird über die Steuern bezahlt“, so Sägesser. Wenn man sich bewusst sei, dass man mit den Steuern im Rahmen der eigenen finanziellen Möglichkeiten einen wesentlichen Beitrag an die Aufgaben der Gesellschaft leiste, liege das Steuern schon viel weniger auf dem Magen.

Auch für Jürgen Apitz, Steuerberater im Kanton Aargau, ist klar: Steuerhinterziehung wie Schwarzgeldkonten oder geheime Geldanlagen kommen aus ethischen Gründen keinesfalls in Frage. „Gesetzliche Grundlagen sind in jedem Falle zu respektieren“, sagt Apitz. Dazu gehöre selbstverständlich auch, dass alle Einkünfte aus Nebenerwerbstätigkeiten angegeben werden. Steuerfragen seien aber doch auch etwas komplizierter, ergänzt dann der Steuerberater diese unzweideutige Aussage: „Die Steuergesetze sind nicht hundertprozentig klar. Sie müssen interpretiert und ausgelegt werden.“ In der Steuerpraxis spiele deshalb die Erfahrung eine grosse Rolle. Gerade deshalb sei für den ungeübten Bürger das Ausfüllen der Steuererklärung eine als schwierig empfundene Aufgabe. Besonders wenn Liegenschaften vorhanden sind oder bei selbständiger Erwerbstätigkeit empfiehlt Apitz deshalb den Gang zum Steuerberater. Seematter glaubt gar, dass jede Privatperson, die sich die einfache Steuererklärung für zirka 130 Franken von einem Treuhänder ausfüllen lässt, neben Zeit und Ärger auch noch einiges an Steuern sparen kann.

Optimierung durch Planen
Berechtigt sei die Frage schon, wie man Steuern sparen könne, meint Sägesser. „Denn wer die Pflicht hat, Steuern zu zahlen, hat doch auch das Recht, Steuern zu sparen.“ Der Gesetzgeber habe nämlich im Steuergesetz ganz bewusst legale Möglichkeiten geschaffen, wie sich die Steuerpflichtigen besser betten könnten. Zu diesen Möglichkeiten gehörten im Bereich der Abzüge die Gewinnungskosten wie Berufsauslagen, die freie Vorsorge, die dem Allgemeinwohl nützlichen Spenden oder die Unterhaltskosten bei Liegenschaften.

Wer erst beim Ausfüllen der Steuererklärung darüber nachdenke, wie er Steuern sparen könne, komme allerdings selten zu wirklich guten Lösungen. Eine echte und ethisch vertretbare Steueroptimierung beginne deshalb mindestens ein Jahr vor dem Ausfüllen der Steuererklärung. Auch für den Angestellten ohne Eigenheim bestünden Möglichkeiten der Optimierung, etwa im Bereich der Lohnzusammensetzung (Lohnbestandteile in Form von Entschädigungen) oder durch freiwillige Vorsorge. Allerdings müsse beachtet werden, dass auch hier jede Variante ihre Kehrseite habe, bei weniger Einkommen zum Beispiel eine tiefere Versicherungssumme für AHV, Pensions- und Arbeitslosenkasse. Zudem seien gewisse Steuersparmöglichkeiten ja auch sinnlos, etwa eine hohe Witwenrente für eine alleinstehende Person oder Extraschulden bei Wohneigentum, wenn die Schuldzinsen den dadurch ersparten und erwirtschafteten Betrag überstiegen.

 
Franken

Sind Steuergesetze gerecht?
Eine Person, die mit einem sensiblen Gewissen vor den Steuererklärungspapieren sitzt, könnte sich noch eine andere Frage stellen: Sind die Steuergesetze denn wirklich gerecht?

Ein gerechtes Steuersystem könne es gar nicht geben, sagen dazu die Treuhänder. „Das System ist zwar vom Grundgedanken her gut“, sagt Sägesser, „aber von der Ausführung her sehr kompliziert und wenig transparent.“ Durch die vielen Ausnahmen und Sonderregelungen sei das Ausfüllen und das Kontrollieren der Steuererklärungen sehr kompliziert geworden, bestätigt Patrick Seematter. Dazu komme, dass neben dem Bund auch jeder Kanton sein eigenes Steuergesetz habe.

„Volkswirtschaftlicher Unsinn“
Dieses Ärgernis kennt auch Apitz, der damit direkt den Wunsch einer Reform des Steuersystems verbindet. Mit all dem Kleinbelegungskram vor allem auf Seite der Abzüge sei der Aufwand für den Staat „astronomisch“. Deshalb befürworte er eine Pauschalisierung der Abzüge. Dass Tausende von Steuerbeamten in der Schweiz die Abzüge bei den eingereichten Steuererklärungen kontrollieren müssen, findet Apitz einen „volkswirtschaftlichen Unsinn“. Solche Kontrollen seien ohnehin problematisch, da sie stets unvollständig seien und die Menschen im Grunde nicht zu mehr Ehrlichkeit erziehen könnten. Viel wichtiger wäre es nach Apitz, das Bewusstsein der Gemeinschaft zu fördern und zu zeigen, dass Steuermittel effizient eingesetzt würden. Ein gutes Steuersystem funktioniere eigentlich nur übers Gewissen der Bürgerinnen und Bürger.

Sägesser weist aber auch auf Vereinfachungen im schweizerischen Steuersystem in den vergangenen Jahren hin, so die gesamtschweizerische Einführung der Gegenwartsbesteuerung und die elektronische Erfassung der Steuerdaten. Als ungerecht im Steuersystem empfindet er dagegen die ungleiche Besteuerung von Ehe- und Konkubinatspaaren. Seematter stösst sich daran, dass nicht jeder die Möglichkeit habe, seinen Wohnsitz nach dem Steuersatz auszusuchen.

Ende mit gutem Gewissen
Ist also doch das Gewissen der beste Ratgeber in Steuersachen? „Ja“, sagt Apitz, „denn damit nützt man nicht nur sich, sondern auch der Gemeinschaft.“

„Ja“, sagt Seematter, „denn der Ehrliche hat oft am Schluss doch die Nase vorn und muss auch keine Angst davor haben, erwischt zu werden.“

„Ja“, sagt Sägesser, „weil Ehrlichkeit besser schlafen lässt.“ Zudem sollten wir uns auch den Rat von Jesus zu Herzen nehmen, der seinen Zeitgenossen empfohlen hat: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“

Autor: Thomas Hanimann
Quelle: idea Schweiz
Datum: 04.03.2005

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