Wie Gott uns siehtEine Verhaltensänderung ist nicht nur vom eigenen Willen abhängig. Sie wird auch von dem Bild beeinflusst, das sich ein Mensch von sich selbst macht. Unser Verhalten ist also in hohem Masse durch das Bild bestimmt, das wir von uns selbst haben. Wer sich unbegabt, schwach und hässlich findet, verhält sich entsprechend. Wer sich allen anderen überlegen fühlt, drückt dies auch aus. Um herauszufinden, wie Gott uns Menschen sieht, sind wir auf die Bibel und die Prophetie angewiesen. Die Bibel ist nicht nur eine Offenbarung über Gott, sondern auch darüber, wer der Mensch ist, wie Gott den Menschen sieht. Fünf heilsame Menschenbilder sind in der Bibel zu entdecken: "Ich bin dein Geschöpf!" Ist das für uns ein dogmatischer Satz oder ein Lebensgefühl? Es kann zum Lebensgefühl werden, wenn wir die folgende Aussage des Philosophen und Theologen Romano Guardini täglich bekennen: "Immerfort empfange ich mich aus deiner Hand, das ist meine Wahrheit und meine Freude." Ein 80jähriger Mann stellte sich täglich seinen Körper vor, die einzelnen Glieder und Organe, erspürte sie, wo es möglich war, und dankte seinem Schöpfer dafür. Ps 139,13.14 vor dem Spiegel mit kräftiger Stimme auswendig (französisch "par coeur") zu sagen, ist eine weitere Möglichkeit, dieses Lebensgefühl einzuüben. Ich bin mit Ehre und Hoheit gekrönt Es ist wichtig, uns loszusagen von allen Lügenbildern, die wir aufgrund von Leistung und Versagen über uns selber bilden. Wir sollten ein auf uns zugeschnittenes Lossagegebet formulieren und das eine Zeitlang täglich laut beten. Zum Beispiel: "Ich sage mich los vom Idealbild des tollen Typen, der allen gefällt und immer und überall ankommt - und ich sage ja zur Ehre und Würde, die du mir gibst, ob ich Erfolg habe oder scheitere."
Gott freut sich über mich Wer tief davon durchdrungen ist, dass sich Gott über ihn bzw. sie freut, wird freundlicher. Eine Übungsmöglichkeit dazu ist die Meditation der Erzählung über die Taufe Jesu. Jesus taucht aus dem Jordanwasser auf und hört eine Stimme: "Dies ist mein geliebter Sohn, der meine ganze Freude ist" (Lk 3,22). Jesus ist Mensch geworden, damit dieser Zuspruch auch uns gilt: "Du - meine ganze Freude". Denn: "Gott hat nur eine Liebe. So wie er seinen Sohn Jesus liebt, so liebt er mich" (Eckehart). Ich bin vergänglich Der heutige Mensch verdrängt das. Wir wollen ewig jung und gesund sein. Christen können Realisten werden und sich selber sehen, wie Gott sie sieht: als vergängliche Geschöpfe. In der christlichen Tradition hat man das eingeübt in der so genannten Meditatio mortis. Es gibt Phasen im Leben, in denen es Zeit ist, meinem kommenden Tod bewusst in die Augen zu sehen. Friso Melzer leitet gut dazu an in seinem vergriffenen Buch "Konzentration, Meditation, Kontemplation".
In dieser Situation völlig unerwartet rief er: "Ich bin ein sündiger Mensch" (Lk 5,1-11). Statt die Bitte um Strafe ("Gehe von mir hinaus") zu erfüllen, ehrte Jesus ihn mit einer grossen Berufung (V.10). Die nächste Stufe erfuhr Petrus im Scheitern des hohen Ideals, das er von sich selbst hatte (Lk 22,61-62). Unter dem liebenden Auge von Jesus konnte er sich selbst in die Augen sehen. Das Kreuz von Golgatha macht beides offenbar: Unser menschliches Herz - wozu wir fähig sind - und Gottes Erlösung. | ||||||||||||||||
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