Wieviel Katastrophe tut unseren Kindern gut?
Nein, Eltern können ihren Kindern das Bild von einer heilen Welt beim besten Willen nicht erhalten. Spätestens seit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 oder den Bildern der schrecklichen Flutwelle in Südostasien vor wenigen Wochen, sind die Bilder von Gewalt und Terror, von Katastrophen und Schrecken vor aller Augen und in aller Munde. Schrecken ungeschminkt Viele Eltern fragen sich besorgt: „Wieviel Katastrophe kann ich meinem Kind zumuten? Was richten die Bilder vom Leiden anderer Menschen in der Seele meines Kindes an?“ Dass selbst ein radikaler Medienverzicht für die ganze Familie kaum eine Lösung ist, liegt auf der Hand: Der nächste Fernseher, das nächste Radio, die nächste Zeitung findet sich mit Sicherheit bei Freunden und in der Schule (oder sogar schon im Kindergarten) sind Schreckensnachrichten ein Thema. Der Nachwuchs lässt sich einfach nicht lückenlos vor dem medial vermittelten Leid schützen. Günter Gugel, Geschäftsführer des Instituts für Friedenspädagogik in Tübingen, rät gar von einer solchen „Bewahrungspädagogik“ ab. Er hält es nicht nur für wenig aussichtsreich, sondern auch für wenig hilfreich, Kinder rigoros abzuschirmen. Der Hamburger Medienpädagoge Norbert Neuß weist allerdings darauf hin, dass längst nicht alles, was Erwachsene schreckt, Kinder im gleichen Maß beunruhigt. So sei das Ausmaß der Anschläge von New York vielen Kindern erst durch die Reaktion ihrer Eltern deutlich geworden. Sein Kollege Stefan Aufenanger betont, dass jüngere Kinder von abstrakten Fernsehnachrichten wenig berührt werden. Betroffen sind sie vor allem dann, wenn Bilder von verletzten, weinenden Menschen in Nahaufnahmen und womöglich mit emotionsgeladener Musik unterlegt gezeigt werden. Kinder können dann kaum Distanz aufbauen und sie neigen dazu, sich mit den Opfern zu identifizieren. Und ängstlich fragen sie, ob der Krieg jetzt auch zu ihnen kommt, ob ein Flugzeug auch in ihr Haus rasen kann, ob die Welle sie auch erreicht oder ob sie selbst Opfer von Kinderschändern werden können. Fernseher (r)aus? Deshalb sollte grundsätzlich die Regel gelten, dass zumindest Vorschulkinder bei der Berichterstattung über Terror, Krieg und Gewalt nie ohne Anwesenheit Erwachsener fernsehen sollten. Allein die Tatsache, nicht allein zu sein, vermittelt ihnen das so wichtige Sicherheitsgefühl. Auch dort, wo der Fernseher bewusst an- und ausgeschaltet wird, brauchen Kinder die Gelegenheit, Körperkontakt aufzunehmen, Fragen zu stellen, Befürchtungen zu äußern, Ängste im Spiel aus zu agieren. Und sie brauchen das Gefühl, dass der eigene Alltag trotz allem Mitgefühl und aller Angst „normal“ bleiben darf und von verlässlichen Beziehungen getragen ist: „Toben, spielen, spazieren gehen und kuscheln sind gute Möglichkeiten, Normalität und Gewohntes in den Alltag zurückzuholen“, rät Wolfgang Zenz vom Kinderschutzzentrum Köln.
Belastende Bilder verarbeiten Gerade bei der Verarbeitung belastender Bilder, Angst erregender Gewaltszenen und schlimmer Nachrichten kann auch einem gemeinsamen Gebet am Abend eines Tages eine wichtige Rolle zukommen. Hier können Eltern und Kinder gemeinsam aussprechen, was sie bedrückt – oder Eltern sprechen stellvertretend für ihre Kinder aus, was sie bewegt. Dabei müssen keineswegs die Bitte um den eigenen Schutz und die eigene Bewahrung ganz oben stehen. Schon Kinder haben einen eigenen Zugang zu einer Form des Gebetes, in der vor Gott die Fragen und die Klage darüber ausgesprochen ist, dass Menschen leiden und sich nach einem Leben ohne Krieg, Katastrophen und Gewalt sehnen. Auch der Dank dafür, dass es Menschen gibt, die sich für Frieden, Versöhnung und Hilfe einsetzen, und der Dank für ein Leben, das bisher vor dem Schlimmsten bewahrt geblieben ist, hat hier Raum. Karin Vorländer, verheiratet, vier Kinder, arbeitet als freie Journalistin. Buchtipp zum Thema: Autorin: Karin Vorländer | ||||||||||||||||
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