Christliche Mitarbeiter: Nicht über jeden Zweifel erhaben

In der Duokolumne diskutieren die Journalisten Claudio Minder und Iris Muhl über die Position von christlichen Mitarbeitern. Die einen beflügelt der Glaube, bei anderen führt er zu Problemen. Einssein im Glauben oder "Vetterliwirtschaft"? Minder und Muhl sind sich nicht einig.


Iris Muhl und Claudio Minder.

Claudio Minder: Kürzlich sprach ein Unternehmer auf einer Konferenz über seine christliche Mitarbeiter. Er meinte, das Verhältnis zu seinen christlichen Mitarbeitern sei nicht immer einfach, weil sie die nötige Distanz zum Chef nicht einhalten würden. Die Erwartungen an den Chef seien höher, weil man im Glauben verbunden sei. Deshalb kam dieser Unternehmer zum Schluss, dass es nicht immer clever sei, Christen einzustellen.

Iris Muhl: Kann ich nicht nachvollziehen.

Claudio Minder: Christen beziehen sich auf andere Werte, die einem Betrieb nicht immer förderlich sind.

Iris Muhl: Welche?

Claudio Minder: Zum Beispiel Loyalität, auch wenn die geleistete Arbeit nicht gut genug ist. Oder übertriebene Rücksichtnahme, wenn es einen nicht gut geht.

Iris Muhl: Du meinst, es läuft nach dem Geben-Prinzip. Der Mitarbeiter verlässt sich auf die Gutmütigkeit des Chefs.

Claudio Minder: Ja, genau. Ich selbst habe Erfahrungen damit gemacht in meiner Position als Chef der "KM Foundation". Wir vergeben Gelder an verschiedene christliche Werke und ich merke immer wieder, wie die Leute es für selbstverständlich halten, dass sie als Christen Geld erhalten.

Iris Muhl: Das ist ein schwerwiegender Vorwurf. Ich habe es anders erlebt. In den christlichen Redaktionen, in denen ich gearbeitet habe und arbeite herrscht keine "Vetterliwirtschaft".

Claudio Minder: Ich finde es schwierig, die Arbeitsstelle mit Menschen zu teilen, die sich ständig auf biblische Standpunkte stellen. Zum Beispiel neigen sie zur Harmoniesucht und ertragen keine Kritik, geschweige dann eine gesunde Streitkultur - die sucht man vergebens.

Iris Muhl: Ich nehme das anders wahr. Meine Kollegen sind direkt und halten nicht hinter dem Berg. Jesus war auch direkt. Aufgrund unseres Glaubens sind wir an Transparenz interessiert. Schliesslich sollen die Artikel, die rausgehen, auch gut sein und Menschen mit den verschiedensten Meinungen und Einstellungen ansprechen.

Claudio Minder: Mein Eindruck ist, dass Christen den Anspruch haben, vieles gemeinsam "ertragen" zu wollen. Die Kritik wird aufgeschoben, vieles wird unter den Tisch gekehrt, Veränderungen werden so verhindert.

Iris Muhl: Nun, ich möchte dir entgegenhalten, dass auch die vielen Interviews mit christlichen Geschäftsleuten eine gute Erfahrung für mich waren. Obwohl wir denselben Glauben leben, spürte ich nichts von "Vetterliverbundenheit". Wir arbeiteten immer auf korrekter Basis. Ausserdem arbeite ich gerne mit Menschen zusammen, die die gleiche Ziele anstreben wie ich.

Claudio Minder: Ich arbeite auch gerne mit Menschen zusammen, die dieselben Ziele anstreben wie ich. Ich bin überzeugt, dass man sich einfache Ziele setzen muss, dann kann man sich komplizierte Umwege erlauben. Christliche Mitarbeiter erwarten von mir immer wieder komplizierte Umwege, dies kostet teilweise Zeit und Kraft, aber wenn ich so nachdenke, ist es gleichzeitig auch eine Bereicherung.

Autoren: Claudio Minder, Iris Muhl

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Quelle: Livenet.ch

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