Hilfswerke: WTO-Verhandlungen bedrohen Schweizer Rechte

 
Entwicklungsländer
Auch die Entwicklungsländer wehren sich gegen die "WTO-Bevormundung"
Die Globalisierung schreitet voran – auch rechtlich. Schweizer Hilfswerke und weitere Organisationen wollen eine Aushöhlung der kommunalen, kantonalen und nationalen Rechte durch Richtlinien der Welthandelsorganisation WTO verhindern. Im Windschatten der WTO-Verhandlungen zur Landwirtschaft und den Industriegütern fänden diesbezüglich von der Öffentlichkeit unbeachtet Verhandlungen im Dienstleistungsbereich statt.

Die Schweiz vertrete eine unverständlich aggressive Haltung, die das Recht von Regierungen, Sozialmassnahmen und Umweltgesetze zu erlassen, empfindlich einschränken könnte. Die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke Alliance Sud, die Erklärung von Bern, Pro Natura und der Schweizerische Gewerkschaftsbund fordern Bundesrat Deiss zu einer Kurskorrektur auf.

Während Güter- und Landwirtschaftsmärkte durch Zölle geschützt würden, seien die Dienstleistungsmärkte durch differenzierte Massnahmen reguliert, heisst es in der Mitteilung der Schweizer Organisationen. Dazu gehörten auch alle Sozialmassnahmen, Umweltgesetze sowie die Standards im Konsumbereich, Tourismus, Bauwesen, Landschaftsschutz usw. Im WTO-Dienstleistungsabkommen Gats würden diese Regulierungen als "technische Standards" bezeichnet. Bis Ende 2006 solle nun ein Instrumentarium erarbeitet werden, das bestehende Massnahmen in den WTO-Ländern dahingehend prüfe, ob sie "mehr als notwendig handelsverzerrend" seien, schreiben die Organisationen.

Schweizer Stimmvolk von WTO "bevormundet"
Die Schweiz schlage, zusammen mit Neuseeland, Hong Kong, Australien und Mexiko, einen so genannten "Notwendigkeitstest" vor. Danach müssten Regierungen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene künftig vor der WTO-Streitschlichtung beweisen, dass ihre Verordnungen und Gesetze für den Welthandel kein "unnötiges Hindernis" darstellen. Andernfalls müssten diese Gesetze geändert werden.

"Das Schweizer Stimmvolk würde damit von der WTO bevormundet. Demokratische Entscheidungen könnten durch ein Expertengremium ausgehebelt werden", meint Daniel Lampart vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Auch die Entwicklungsländer stellen sich entschieden gegen einen solchen Test, weil es ihren wirtschafts- und umweltpolitischen Handlungsspielraum massiv einschränken würde.

Bundesamt im Alleingang
"Es ist unhaltbar, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco solch einschneidende Instrumente zu inländischen Regulierungen verhandelt, ohne andere Bundesämter, geschweige denn die politischen Gremien konsultiert zu haben", kritisiert Marianne Hochuli von der Erklärung von Bern.

Die Erklärung von Bern, Alliance Sud, der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Pro Natura rufen den Vorsteher des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, Joseph Deiss, auf, die Forderung nach einem "Notwendigkeitstest" unverzüglich fallen zu lassen. "Es darf nicht sein, dass die Schweizer Handelsdelegierten in der WTO eigenmächtig Forderungen vertreten, die den politischen Handlungsspielraum und die Souveränität sowohl für Entwicklungsländer als auch in der Schweiz auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene derart massiv einschränken", sagt Bastienne Joerchel von Alliance Sud.

Autor: Peter Schmid
Quelle: Kipa
Datum: 13.07.2006

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