Seelenfischer im Datennetz
Die „dunkle Seite des Netzes“ Seine Dienste bietet auch der Thelema-Orden an, eine 1982 in Berlin gegründete Okkult-Gruppe um den inzwischen wegen Vergewaltigung und Folter verurteilten Computerfachmann Michael D. Eschner. Mal ist bei den Gruppen ein ungewollt satirischer Satans-Kopf zu sehen, mal bestimmen Werbeinformationen der jeweiligen Gruppen das Bild. Die Biographie des Okkultpapstes Aleister Crowley (1875-1947) etwa, versehen mit einem Schwarz-Weiss-Foto des magischen Meisters und dessen Motto: „Tu, was du willst, das ist das ganze Gesetz.“ Der „Ordo Templis Orientis“, Verein der Crowley-Nachfolger, verkündet stolz, dass er in Kalifornien als „gemeinnützige Organisation“ anerkannt ist - und lädt Interessierte zu den ersten drei Erkenntnis-Stufen ein, „auf die jeder Mensch ein Recht hat“: „Hermetische Philosophie“, „Yoga“ und „Kabbala“. Diese Begriffe verschleiern freilich, dass es O.T.O. nicht um mystische Religion, sondern um satanische Praktiken geht. Ähnlich verharmlosend präsentiert sich die „Kirche Satans“: Vorbeugend erklärt sie auf ihrer Leitseite, sie habe in keiner Weise mit Kinderschändung oder Tieropfern zu tun. Solche Assoziationen aus dem Weg räumen kann der ziemlich grimmig dreinblickende Kahlkopf der „Satanskirche“ jedoch nicht. Er verkündet vielmehr „neun satanische Gebote“. Freimütig wird da „Rache statt des Hinhaltens der anderen Backe“ gefordert: Sünden führen der Satanskirche zufolge zu „körperlicher, geistiger oder emotionaler Befriedigung“. Satanisches Gedankengut salonfähig zu machen, ist auch ein Don David Scott angetreten - ausgerechnet mit Zitaten von angesehenen Literaten wie William Shakespeare („Satan ist ein Gentleman“) und Mark Twain („Wir sollten Satans Fähigkeiten anerkennen“). Satan sei „das Licht aus dem Dunkel der Geschichte“, „der wahre Freund der Menschheit“. Mit „Heil Satan“ verabschiedet sich der unbekannte Teufelsanbeter von seinen Lesern. Die können sodann ins ebenfalls okkulte Hexen-Lager wechseln: die „Stätte der Pandora“ offenbart sich als Treffpunkt von Hexen und deren Mächten. Doch es gibt mittlerweile auch Aktionen von Satansgegnern. Wer auf das satanische Blendwerk hereingefallen ist, kann per Internet Selbsthilfegruppen gegen „rituellen Missbrauch“ kontaktieren - oder Bob Larson, einen christlichen Fernsehmoderator aus den USA. „Im Namen Satans“ nennt der Prediger sein Programm - bei näherem Lesen entpuppt sich der reisserische Titel als Köder, um Satansgläubige anzulocken und sodann auf den christlichen Glauben hinzuweisen. Die Prophetin wünscht eine gute Nacht Doch auch die Kritiker des Universellen Lebens sind im Internet vertreten: Der Wertheimer Verein „Bürger beobachten Sekten“ (bbs) hält mit einem eigenen Internet-Angebot wacker gegen die Sektenpropaganda. „Wir wollen kritische Literatur und Gerichtsurteile bekannt machen“, erklärt bbs-Vorsitzender Thomas Müller. Etwa drei Anfragen kommen pro Woche via elektronischer Post. Die Präsenz im Internet sei trotz dieser eher verhaltenen Resonanz wichtig. 30.000 Seiten Werbung im Internet Scientologen scheuen sich nicht, ihre Namen zu nennen. So bekennen sich im weltweit grössten Internet-Dienst, „America Online“ (AOL), 119 Frauen und Männer dazu, Hubbard zu folgen. Unter anderen Marie und Linwood Pace, Direktoren der Scientology-Mission in Lafayette (USA). Das Paar gibt als Motto einen Satz von Hubbard an: „An dem Tag, an dem wir einander uneingeschränkt trauen können, wird Friede auf Erden sein.“ Was Scientology und das Universelle Leben vorexerzieren, machen andere nach. Die Vereinigungskirche des San Myung Mun, die Zeugen Jehovas, Bhagwans Osho-Jünger - sie alle versuchen, das Internet als Werbeplattform zu nutzen. Doch mittlerweile sehen sie sich einer noch grösseren Flut von Aufklärern gegenüber. Allein rund 40200 Seiten listet eine Suchmaschine im Internet, „Google“, beim Stichwort „Sekten“ auf. Andere Anbieter speisen Presseschauen ins Netz, Theologiestudenten berichten über Anti-Kult-Organisationen und über ihre Seminare. Dass die Sekten und Kulte versuchen könnten, per Internet Persönlichkeitsprofile einzelner Computernutzer zu erstellen, befürchtet Volker Riebartsch, stellvertretender Chefredakteur der Computerzeitschrift „MacUp“ (Hamburg). Er weist auf die Möglichkeit jedes Internetanbieters hin, die Interessen der „Besucher“ auf den Internetseiten zu analysieren. Durch heimlich auf den Computern der Benutzer installierte Programme sei es möglich, die Vorlieben einzelner zu erforschen. Die Werbebranche nutzt diese Möglichkeit bereits, um das Kaufverhalten möglicher Kunden zu ergründen. Wer weiss, was totalitäre Gruppen mit diesen Daten anfangen könnten? | ||||||||
| ||||||||
Rat &
Hilfe per E-Mail Haben Sie Fragen oder suchen Sie Rat? [weiter] |