Mit negativen Gedanken brechen

 
Diplompsychologe Andreas Zimmermann
Diplompsychologe Andreas Zimmermann: "Konditionierungen können gebrochen werden, damit neue Verhaltensweisen Raum haben."
Lernpsychologische Aspekte standen im Mittelpunkt des fünften Seelsorge-Grundkurstages im Ländli, Oberägeri. Veranstalter war das Bildungszentrum für christliche Begleitung und Beratung, bcb. Andreas Zimmermann dozierte über eingefahrene Verhaltensmuster und wie man sie verändern kann.

Der Diplompsychologe aus Österreich brachte einen Überblick über zwei wesentliche psychologische Schulrichtungen: den Behaviorismus (englisch „behavior“ – „Verhalten, Benehmen“) und den Kognitivismus (vom lateinischen „cogitare“ – „erkennen“). Seine Ausführungen forderten die Teilnehmer massiv heraus.

Der Behaviorismus orientiert sich am sichtbaren Verhalten. Äussere Einflüsse verändern die Reiz-Reaktions-Verknüpfungen. Das geschieht durch die „klassische Konditionierung“, also das Lernen durch kausale Zusammenhänge, und die „operante Konditionierung“, das Lernen anhand von Konsequenzen.

Der Kognitivismus geht über diese äusserlich bedingten Verknüpfungen hinaus und versucht Erkenntnisprozesse zu verstehen: Ideen, Motive, Denken und Wünsche. Er beschäftigt sich mit der Wahrnehmung und dem Problemlösen. Im Vordergrund steht das „Modelllernen“ (Lernen durch Nachahmung) und das „kognitive Lernen“ (Lernen durch Einsicht).

Werbung und Kindererziehung
Zimmermann nannte die Werbung als Beispiel. Werbung geschehe immer über die klassische Konditionierung. Es würden sogar dort Zusammenhänge vorgetäuscht, wo es gar keine gebe.

Die operante Konditionierung ist in der Kindererziehung gang und gäbe. Konsequentes Handeln wie Fernsehverbot und Strafaufgaben weisen ein Kind auf die Folgen seines Verhaltens hin. Wer als Kind eingeschüchtert und bedroht wurde, der hat diese Verhaltensweise verinnerlicht. Als Erwachsener fällt er aber oft vom einen Extrem ins andere und bestraft beispielsweise seine eigenen Kinder überhaupt nicht mehr.

Die Materie war anspruchsvoll. Ein Kursbesucher war vom Stoff derart überfordert, dass er sich bei Zimmermann lautstark beschwerte: „So etwas sei doch kein Seelsorge-Unterricht.“ Andreas Zimmermann erklärte daraufhin geduldig die Zusammenhänge. Eine prägende Verhaltensweise könne ein Klient hinter sich lassen, indem er mit der bisherigen Konditionierung, sprich: inneren Verknüpfung, bricht. Er verlernt sie damit sozusagen und kann ein neues Verhalten einüben.

Ein Beispiel: Wenn jemand bis in sein Erwachsenenalter nur die Strafe kennt, dann ist es besonders wichtig, diesen Menschen zu loben. Lob sei ohnehin ein extrem wichtiges Element in der Erziehung, so Zimmermann. Richtiges Verhalten müsse belohnt werden, falsches Verhalten dagegen ist zu rügen.

Seelsorger als Modell
 
Während der Pausen stöbern
Während der Pausen stöbern die Kursteilnehmer gerne nach hilfreichen Büchern.
Der Ratsuchende betrachte den Seelsorger gerne als sein Modell. Doch auch Modelle haben bekanntlich Fehler. Zimmermann provozierend: „Angehende Seelsorger haben alle dieselbe Krankheit. Sie können schlecht nein sagen.“

Zimmermann bat daraufhin eine Kursteilnehmerin auf die Bühne, die dieses Manko beseitigen wollte. Sie spielten ein Telefongespräch, bei dem ein Suizidgefährdeter provozierend seine Gesprächzeit einfordert. Die angehende Seelsorgerin schlug sich mehr schlecht als recht durchs Gespräch und konnte sich kaum abgrenzen.

Zimmermann drehte den Spiess um und spielte nun den Seelsorger, der den Suizidgefährdeten mit klaren Anweisungen fordert. „Ich habe jetzt keine Zeit, du kannst aber einen Termin haben. – Wenn du selbstgefährdet bist, dann schicke ich dir einen Notarzt vorbei. – Grundsätzlich habe ich ein Problem mit deiner fordernden Haltung. das muss endlich geklärt werden; schliesslich liegst du mir am Herzen.“

In der Mittagspause entbrannten viele Gespräche über den klaren, aber etwas rauhen Umgang von Zimmermann mit dem gespielten Hilfesuchenden.

In Liebe konfrontieren
Am Nachmittag jedoch wurde mehrfach klar, dass sich ein Seelsorger nicht von einem Ratsuchenden bestimmen lassen und zum Opfer machen darf. Auch jene Kursteilnehmerin hatte schnell gelernt. In der zweiten Übung gelang es ihr, dem fordernden Anrufer klare Grenzen zu setzen. Dazu brachte Zimmermann den treffenden Satz: „Wenn ich dich lieb habe, dann rede ich ganz direkt mit dir.“

Am Ende des spannenden Tages wies Zimmermann auf die Wichtigkeit von positiven Gedanken: „Unterbrechen Sie in den Sitzungen den Kreislauf von negativen Gedanken, und ermutigen Sie den Ratsuchenden, das zu Hause ebenfalls so zu üben.“ Sonst würden negative Gedanken ein ganzes Leben bestimmen.

Zimmermann erwies sich als kompetenter Dozent, der den angehenden Seelsorgern sehr viel mitgeben konnte.

Internetseite des Bildungszentrums für christliche Begleitung und Beratung

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Links: Ausbildungskurse bcb 2007 (pdf)
Grundkurs
Kursdaten: Studientage 2007

Autor: Iris Muhl
Quelle: Livenet.ch
Datum: 14.04.2007

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