Teufelskreis Jugendgewalt?
Ist die Jugend des neuen Jahrtausends bloss noch brutal? Pauschal kann man diese Frage nicht beantworten. Und ob Gewalt heute im Alltag von Kindern und Jugendlichen wirklich häufiger vorkommt als früher, ist fraglich. Die grosse Mehrzahl der Jugendlichen lehnt Gewalt ab, und die Wertvorstellungen der derzeitigen Jugend unterscheiden sich nur wenig von denen der Generationen vor ihr, wenn überhaupt. Deutlich aber ist, dass immer öfter die Hemmschwellen von der „Rauferei" zur gefährlichen Körperverletzung überschritten werden. Es scheint, als ob immer weniger Kinder ein Gefühl dafür haben für die Grenzen zur Brutalität. Toleranz gesunken Und doch wurde diese schulische „Erziehungsmassnahme" meist ohne Protest von den Eltern toleriert. Manches, was wir heute richtigerweise als schädliche Gewaltanwendung bewerten, wäre in vorherigen Generationen als „normale Prügelei" oder legitimes Erziehungsmittel akzeptiert worden.
Nicht selten zu einem hohen Preis: Da versucht zum Beispiel ein Mädchen mit etwas mehr Körpergewicht durch radikales Abnehmen dem gnadenlosen Spott der Mitschüler auszuweichen - und es entsteht eine handfeste Ess-Störung. Oder auch, indem man sich ausschliesslich teure Markenkleidung zulegt, die soziale Akzeptanz gewährleisten soll. Kinder wachsen in einer Ellenbogengesellschaft auf, in der verbale und tätliche Gewalt jedem Aussenseiter drohen. Das stört die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Wer erleidet letztlich mehr Schaden: wer sich „erfolgreich" durch Anpassung schützt oder wer durch einen eigenen Stil riskiert, zur Zielscheibe von Angriffen zu werden? Gewalt-Exzesse: Regel oder Ausnahme? Gleichzeitig wird der psychische Druck auf die Kinder immer grösser: Viele fühlen sich hilflos einer Welt ausgeliefert, die (zumindest für sie) ausser Kontrolle geraten ist. Und wer den Stress nicht aushält, gilt als Verlierer. Das macht wütend: auf die Schule, auf die Gesellschaft, auf die Eltern, die einem ohnehin „viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken". Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass es in Zukunft noch häufiger vorkommen wird, dass Jugendliche ihren Hass und ihre Wut medienwirksam inszenieren. Bildung und Gewalt Der Teufelskreis ist unausweichlich: Schlechte Bildung erzeugt mehr soziales Elend, das wiederum erzeugt schlechte Bildungsvoraussetzungen. Aber umgekehrt gilt auch: Eine gute zwischenmenschliche Atmosphäre ist gut fürs Lernen und wer die Welt besser versteht, der ist auch sozial kompetenter. Es ergibt also keinen Sinn, bei der Frage des Erziehungsauftrages der Schule die sozialen Aspekte gegen die Wissensvermittlung abzuwägen. Entweder wir machen beides - oder nichts von beidem.
„Wehret den Anfängen!" ist in diesem Fall das erfolgreichste Rezept. Es gibt amerikanische Erfahrungen, von denen wir lernen können: Schulen, bei denen jeder Schüler, der sich an einer Tätlichkeit beteiligt, unausweichlich mit Konsequenzen rechnen muss, indem er zum Beispiel einen Tag vom Unterricht suspendiert wird. Im Wiederholungsfall wird er von der Schule verwiesen. Die gleichen Regeln gelten für den Schulbus, beziehungsweise Schulweg. Darüber hinaus erhalten die Schüler Unterricht in „Sozialer Kompetenz". Dort lernen sie unter anderem, wie man einen Streit „mit Würde" austragen kann. An diesen Schulen wurde eine drastische Reduzierung von Gewalt beobachtet - und zwar nicht durch „Selektion" (das heisst, nicht dadurch, dass sozial Schwache von der Schule fliegen), und auch nicht durch „Unterdrückung", sondern dadurch, dass das gesamte Klima gesünder und angstfreier wurde. Mit dem Ergebnis: Die Schüler werden seltener krank, gehen lieber zur Schule und sind motivierter beim Lernen. Ein gerade abgeschlossener, dreijähriger Pilotversuch in Deutschland hat ähnliche Erfolge zu vermelden (siehe unten). „Richtig" streiten Dazu brauchen wir Hilfestellungen, meines Erachtens sowohl in den offiziellen Lehrplänen, in denen so etwas wie „Soziale Kompetenz" so gut wie gar nicht vorkommt, als auch durch besondere Schulungen für Eltern und Lehrer. Was können Eltern tun? Sie sollten auf Wiedergutmachung (Entschuldigung, Kostenersatz usw.) durch den Täter bestehen, das Gespräch mit den Erziehungsberechtigten des Täters suchen und dabei bestimmt und freundlich bleiben. Eltern dürfen nicht selbst aggressiv reagieren und keinesfalls ihrem Kind eine „Gegenaggression" erlauben. Formulieren Sie auch eine klare Erwartung. Zum Beispiel: „Ihr Sohn hat das Handy unseres Sohnes kaputt gemacht. Bitte sorgen Sie also dafür, dass Ihr Sohn innerhalb einer Woche ein neues oder gutes gebrauchtes Handy besorgt." Falls das nicht zum Erfolg führt, sollten Sie mit anderen Verantwortlichen reden: mit Lehrern, mit der Schulleitung, falls nötig auch mit der Polizei. Je früher im Laufe einer „Täterkarriere" eine Anzeige bei der Polizei geschieht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Karriere damit endet. Kinder und Eltern befürchten oft, dass diese Reaktion der Eltern dann noch mehr Aggression oder Gewalt einbringt. Aber das passiert in der Realität äusserst selten. Im Gegenteil: Es ist eher das stille Opfer, das sich am besten für Wiederholungstaten eignet. Darum: Nicht einschüchtern lassen!
Rund tausend Kindern wurde nach amerikanischem Vorbild in mehreren Dutzend Lerneinheiten soziales Verhalten, Selbstkontrolle und Einfühlungsvermögen vermittelt. Konfliktsituationen wurden dargestellt, besprochen, im Rollenspiel vertieft und auf Situationen in Schule und Familie übertragen. Eine zweite Chance hat in dem Programm jedes Kind, wenn in der Familie nicht genügend soziale Kompetenz vermittelt wurde. Kinder mit Defiziten können dazulernen, ohne stigmatisiert zu werden. Auch Ängste und Depressionen wurden in der Folge seltener beobachtet. Scheue Kinder hatten an Zuversicht gewonnen - nicht nur in der Schule, sondern auch zuhause. Kontakt: Internet: www.faustlos.de Mail: info@faustlos.de | ||||||||||||||||||||||||
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