Teufelskreis Gewalt?
Ist die Jugend des neuen Jahrtausends bloss noch brutal? Pauschal kann man diese Frage nicht beantworten. Und ob Gewalt heute im Alltag von Kindern und Jugendlichen wirklich häufiger vorkommt als früher, ist fraglich. Die grosse Mehrzahl der Jugendlichen lehnt Gewalt ab und die Wertvorstellungen der derzeitigen Jugend unterscheiden sich nur wenig von denen der Generationen vor ihr, wenn überhaupt. Deutlich aber ist, dass immer öfter die Hemmschwellen von der „Rauferei” zur gefährlichen Körperverletzung überschritten werden. Es scheint, als ob immer weniger Kinder ein Gefühl dafür haben, wo die Grenzen zur Brutalität überschritten werden. Toleranz gesunken Allerdings ist in unserer Gesellschaft die Toleranz gegenüber Gewaltanwendung gesunken. So akzeptieren wir in der Regel nicht mehr, wenn Gewalt als legitimes Mittel der Erziehung in Schule und Elternhaus angesehen wird. In meiner eigenen Grundschule wurde Anfang der 60er-Jahre noch der Stock angedroht und auch eingesetzt — auch damals schon verbotenerweise. Und doch wurde diese schulische „Erziehungsmassnahme” meist ohne Protest von den Eltern toleriert. Manches, was wir heute richtigerweise als schädliche Gewaltanwendung bewerten, wäre in vorherigen Generationen als „normale Prügelei” oder legitimes Erziehungsmittel akzeptiert worden. Gewalt geht alle an
Kinder wachsen in einer Ellenbogengesellschaft auf, in der verbale und tätliche Gewalt jedem Aussenseiter drohen. Das stört die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Manchmal frage ich mich, wer mehr Schaden erlebt: Diejenigen, die sich „erfolgreich” durch Anpassung schützen oder die, welche riskieren, durch einen eigenen Stil zur Zielscheibe zu werden. Gewalt-Exzesse: Regel oder Ausnahme? Bildung und Gewalt Der Teufelskreis ist unausweichlich: Schlechte Bildung erzeugt mehr soziales Elend, das wiederum erzeugt schlechte Bildungsvoraussetzungen. Aber umgekehrt gilt auch: Eine gute zwischenmenschliche Atmosphäre ist gut fürs Lernen und wer die Welt besser versteht, ist auch sozial kompetenter. Es macht also keinen Sinn, bei der Frage des Erziehungsauftrages der Schule die sozialen Aspekte gegen die Wissensvermittlung abzuwägen. Entweder wir machen beides — oder nichts von beidem. Ein Klima der Gewalt zerstört Chancen
„Wehret den Anfängen!”, ist in diesem Fall das erfolgreichste Rezept. Es gibt amerikanische Erfahrungen, von denen wir lernen können: Dort gibt es Schulen, bei denen jeder Schüler, der sich an einer Tätlichkeit beteiligt, unausweichlich mit Konsequenzen rechnen muss, indem er zum Beispiel einen Tag vom Unterricht suspendiert wird. Im Wiederholungsfall wird er von der Schule verwiesen. Die gleichen Regeln gelten für den Schulbus, beziehungsweise Schulweg. Darüber hinaus erhalten die Schüler Unterricht in „Sozialer Kompetenz”. Dort lernen sie unter anderem, wie man einen Streit „mit Würde” austragen kann. An diesen Schulen wurde eine drastische Reduzierung von Gewalt beobachtet — und zwar nicht durch „Selektion” (das heisst, nicht dadurch, dass sozial Schwache von der Schule fliegen), und auch nicht durch „Unterdrückung”, sondern dadurch, dass das gesamte Klima gesünder und angstfreier wurde. Mit dem Ergebnis: Die Schüler werden seltener krank, gehen lieber zur Schule und sind motivierter beim Lernen. Ein gerade abgeschlossener, dreijähriger Pilotversuch in Deutschland hat ähnliche Erfolge zu vermelden (siehe unten). Es gibt sie also, die Alternativen zur Akzeptanz von Gewalt. Und es gibt auch für Kinder Alternativen zur Ausübung von Gewalt. Die muss man allerdings lernen: Konfliktfähigkeit heisst ja nicht, keine Konflikte auszutragen, sondern es richtig zu tun. Dazu brauchen wir Hilfestellungen, meines Erachtens sowohl in den offiziellen Lehrplänen, in denen so etwas wie „Soziale Kompetenz” so gut wie gar nicht vorkommt, als auch durch besondere Schulungen für Eltern und Lehrer/innen. Was können Eltern tun? Dazu: Formulieren Sie eine klare Erwartung! Zum Beispiel: „Ihr Sohn hat das Handy unseres Sohnes kaputt gemacht. Bitte sorgen Sie also dafür, dass Ihr Sohn innerhalb einer Woche ein neues oder gutes gebrauchtes Handy besorgt.” Falls das nicht zum Erfolg führt, sollten Sie mit anderen Verantwortlichen (zum Beispiel mit Lehrern, mit der Schulleitung, falls nötig auch mit der Polizei) reden. Je früher im Laufe einer „Täterkarriere” eine Anzeige bei der Polizei geschieht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Karriere damit endet. Kinder und Eltern befürchten oft, dass diese Reaktion der Eltern dann noch mehr Aggression oder Gewalt einbringt. Aber das passiert in der Realität äusserst selten. Im Gegenteil: Es ist eher das stille Opfer, das sich am besten für Wiederholungstaten eignet. Darum: Nicht einschüchtern lassen! „Faustlos“ Gegen Gewalt an Schulen Infos zur Prävention Bearbeitung: David Sommerhalder | ||||||||||||||||||||||||
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