Endlich leben dank echten Beziehungen

 
Gesunde Beziehungen
Gesunde Beziehungen sind lebenswichtig: «Das Leben beginnt, lebenswert zu sein, wenn Menschen in eine echte Beziehung zu ihrem Schöpfer treten und wenn sie erkennen, dass er sie liebt», sagt Gero Herrendorff.
Seit rund 20 Jahren bietet die christliche Gemeinschaft Vineyard Bern unter der Leitung von Gero Herrendorff das 12-Schritte-Programm «Endlich leben!» an. In der christlichen Gruppe finden Menschen Hilfe, die beispielsweise unter Esszwang, Putz- oder Anerkennungssucht, unter lähmender Trägheit oder unter klassischen Süchten leiden. Auf dem Weg, ihr Sucht- oder Zwangsverhalten abzulegen, unterstützen sich Betroffene gegenseitig.

Richteten sich die «Endlich leben!»-Gruppen der Vineyard Bern in ihren Anfängen an alkohol-, drogen- oder medikamentensüchtige Personen, öffneten sie sich im Laufe der Zeit einem breiteren Zielpublikum. «Wir haben realisiert, das sich das 12-Schritte-Programm für alle Menschen eignet, die in irgendeiner Form zerstörerische Verhaltens- oder Denkmuster aufweisen», beschreibt Gero Herrendorff, der im seelsorgerlichen Dienst der Gemeinde tätig ist, das Zielpublikum des Kurses.

Schwierige Verhältnisse in der Ursprungsfamilie
Häufig von solchen Verhaltensmustern betroffen sind Menschen aus sogenannt dysfunktionalen Familiensystemen. Kennzeichnend für solche Familiensysteme ist, dass eine Autoritätsperson der Familie in einer Sucht gefangen ist und dass sich infolgedessen alle anderen Familienmitglieder nach dem Verhalten der abhängigen Person ausrichten. «Kinder aus solchen Familien werden in ihrer Entwicklung gehemmt und ihre Identität wird ‚zugeschüttet', da sie, um das Familiensystem zu stabilisieren, nicht-kindgerechte Rollen übernehmen», erklärt der 66-jährige Seelsorger.

In ihrer Überforderung entwickeln sie Verhaltensweisen, die sie in ihrem späteren Leben auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit in die verschiedensten Abhängigkeiten führen können. Die «zugeschüttete Identität» wieder aufzudecken, sei das Ziel von «Endlich leben!»-Gruppen. «Wenn wir wissen wer wir sind, ist es uns möglich, mit uns selbst, mit anderen Menschen und mit Gott in eine gesunde Beziehung zu treten.» In diesem Öffnungsprozess gehe es schliesslich darum, die Sucht loszulassen und nicht mehr in ihr, sondern bei Gott Schutz zu finden.

Alleine geht es nicht
Voraussetzung für die Teilnahme ist gemäss Gero Herrendorff die Bereitschaft zur Veränderung. «Bereit ist, wer eine echte Not verspürt und sich nach einem Leben in Freiheit sehnt.» Der Seelsorger spricht in diesem Zusammenhang von «Kapitulation», also vom Eingeständnis, das Problem nicht aus eigener Kraft überwinden zu können. In dem rund 30-wöchigen Kurs setzen sich die Teilnehmer intensiv mit sich selbst auseinander. Sie lernen, andere Menschen an der eigenen Geschichte teilnehmen zu lassen und Fehlverhalten und falsche Gedankenmuster zu erkennen.

«Das Wissen, mit einem Problem nicht alleine zu sein, hilft, offen darüber zu reden», berichtet ein Kursteilnehmer von seinen Erfahrungen. Diese Transparenz habe eine befreiende Wirkung. Gero Herrendorff bestätigt: «In der Offenheit und Ehrlichkeit liegt ein grosses Heilungspotenzial.» Der Prozess der Heilung wird durch das Arbeitsbuch «Endlich leben!» unterstützt. Es erklärt die 12 Schritte detailliert und fördert durch gezielte Fragen die Auseinandersetzung mit der eigenen Situation.

Geben und Nehmen
Pro Kurs nehmen zwischen vierzig bis fünfzig Personen teil. Nicht nur Leute aus der Vineyard Bern, auch Leute aus anderen Gemeinden sowie Leute ohne christlichen Hintergrund seien an den wöchentlichen Treffen willkommen. Zu Beginn eines Kursabends werden Lobpreislieder gesungen. Der Anbetung folgen ein Input im Plenum zum jeweiligen Schritt, wobei stets ein Bezug zur Bibel gemacht wird, sowie die persönlichen Gespräche in den nach Geschlechtern getrennten Kleingruppen. Bei der Bildung der Kleingruppen werde darauf geachtet, Menschen mit ähnlichen Problemen zusammenzunehmen. Dies erlaube mehr Tiefe und einen ehrlicheren Austausch. Der einzelne profitiere, indem er erzähle, zuhöre, Fragen stelle und auf Wunsch Rat erhalte.

«Es ist das Prinzip von Geben und Nehmen, das in den Selbsthilfegruppen zum Tragen kommt.» Von grosser Bedeutung sei schliesslich das Gebet. Gero Herrendorff, der selbst viele Jahre alkohol- und drogensüchtig war und gesund wurde, ist von der Kraft des Gebets überzeugt. «Dies ist ein zentraler Aspekt von ‚Endlich leben!'-Gruppen und ein wichtiger Unterschied zu säkularen Selbsthilfegruppen.»

Heilung braucht Zeit
«Endlich leben!» verspreche keine Sofortheilung. Vielmehr seien es einzelne Schritte, die Veränderungen in Gang setzen und Heilung bringen. In den meisten Fällen sei Heilung ein langer Prozess und erfordere Geduld. «Man wird ja auch nicht von heute auf morgen krank», erklärt Gero Herrendorff. «Die Krankheit ist einer jahrelangen Fehlentwicklung zuzuschreiben und die Heilung sozusagen der Umkehrprozess.» Er habe Menschen mit «Endlich leben!» ein Instrument zur Verfügung stellen wollen, um den Weg der Heilung systematisch anzugehen. «Der strukturierte Aufbau des Kurses verhindert, den eigenen Problemen auszuweichen», sagt ein Kursteilnehmer. Dies schaffe Raum für die persönliche Veränderung.

Das 12-Schritte-Programm geht auf die 1938 gegründete Bewegung der Anonymen Alkoholiker zurück. Von der Organisation «National Association of Christian Recovery Groups» (USA) wurde es im christlichen Sinne ergänzt. «Endlich leben!» basiert auf diesem Programm und hat sich in enger Zusammenarbeit zwischen Gero Herrendorff und Pfarrer Helge Seekamp aus der evangelisch-reformierten St. Pauli Gemeinde in Lemgo (D) zu einem europäischen Netzwerk entwickelt. Das gleichnamige Arbeitsbuch ist bereits auf Französisch und Russisch übersetzt worden. Eine polnische Übersetzung ist in Bearbeitung und auch zu skandinavischen Gemeinden bestehen Kontakte.

Links zum Thema:
Informationen über die Voraussetzungen zur Gründung von 12-Schritte-Gruppen
So funktionieren die 12-Schritte

Autor: Patricia Sandrieser
Quelle: Livenet.ch
Datum: 08.10.2009

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